Das Restaurant MUN im Stadtteil Haidhausen ist für seine feine asiatische Küche bekannt. Wir haben mit Küchenchef Mun Kim darüber gesprochen, wie seine Aufenthalte in Honolulu, Argentinien und L.A. seine Küche beeinflusst haben – und warum er jetzt so gerne in München lebt.
Mun Kim arbeitete als Banker in L.A., bevor er seinen Job kündigte und ein Restaurant in Argentinien eröffnete. In den letzten Jahren hat er sich mit dem Restaurant MUN einen Namen gemacht und 2018 den SZ Gourmet Award gewonnen. Wir trafen den Chefkoch zu einem Interview über Honolulu und Haidhausen, den perfekten Tag in München, warum Reis die wichtigste Zutat für gutes Sushi ist – und warum niemand wirklich frischen Fisch essen möchte.
Sie kommen aus Südkorea, sind aber in Honolulu aufgewachsen. Wie kam es dazu?
Nachdem fast alle elf Brüder und Schwestern meines Vaters in die USA gezogen sind, wollten wir auch nachkommen. Auf dem Weg nach Houston hielten wir allerdings in Honolulu an, um dort Geschwister meines Vaters zu besuchen. Mein Vater hat sich sofort in die Insel verliebt und wollte dann nicht mehr umziehen. Wir blieben etwa drei Jahre lang, ich ging dort zur High School. Hawaii ist ein schöner Ort mit wahnsinnig tollem Wetter, aber es ist nun mal eine Insel. Es gibt Dinge, die ich dort wirklich mochte, aber letztendlich war es mir zu klein.
Bisher haben Sie auf Hawaii, in Argentinien und L.A. gelebt – wie haben diese Orte Ihre Küche beeinflusst?
Honolulu ist ein Schmelztiegel der japanischen, chinesischen und philippinischen Küche. Eines der Gerichte, die ich jetzt auf meiner Karte habe, stammt aus dieser Zeit. Hawaii beeinflusst meine Küche sehr oft. In Buenos Aires waren wir für etwa zwei Jahre, und was ich aus dieser Zeit am meisten mitnehme, ist mein Wissen über Wein. Ich hatte ein Restaurant in einem Weingut und arbeitete viel mit den Winzern zusammen. In L.A. kann man dafür jedes Essen der Welt bekommen. Ich habe dort sehr viel chinesisches und taiwanesisches Essen probiert, meiner Meinung nach haben sie dort das beste asiatische Essen – besser als in Asien selbst. L.A. hat mir eine Menge Inspiration gegeben, was ich in meiner eigenen Küche machen möchte.
Bevor Sie Koch wurden, haben Sie 19 Jahre lang als Banker an der Wall Street gearbeitet und nach der Finanzkrise aufgehört. Warum wollten Sie danach nicht mehr weitermachen?
Ich habe es nie bereut, Banker gewesen zu sein. Ich habe in der Zeit sehr viel gelernt und viele verschiedene Dinge zu tun gehabt. Aber meine Aufgabe war es unterm Strich, die Wünsche meiner Kunden zu erfüllen. Und ich kam immer wieder an den Punkt, an dem ich mich fragte: Was ist mit meinen Träumen? Nach der Krise wurde ich ziemlich gut für meinen Ausstieg bezahlt, also dachte ich, jetzt ist es Zeit, endlich mal darüber nachzudenken, was ich tun möchte. Und es war eigentlich immer das Kochen, das mich glücklich gemacht hat – in der Küche habe ich meinen Zen-Moment. Als wir noch in den Staaten gelebt haben, habe ich jeden Sonntag eingekauft und für alle unsere Freunde gekocht, das war mein Ausspannen von der Woche.
Aber wo fängt man an, wenn man professioneller Koch werden will?
Ich wollte Sushi-Koch werden, war aber schon fast 40 und wusste, dass mich niemand so leicht einstellen würde. Also habe ich den in L.A. sehr berühmten Sushi-Meister Makoto Okuwa gefragt, ob ich bei ihm meine Ausbildung machen könnte. Ich sagte ihm direkt, dass ich kein Geld wollte, ich wollte nur etwas lernen! Also arbeitete ich tatsächlich kostenlos für ihn. Ich stand finanziell gut da, also war es schon okay, aber es war eine harte Zeit: Zehn Stunden am Tag arbeiten, fünf bis sechs Tage in der Woche, ein Jahr lang, ohne einen Cent.
„Es war immer das Kochen, das mich glücklich gemacht hat – in der Küche habe ich meinen Zen-Moment."
Und nach diesem Jahr haben Sie Ihr feines Sushi gemacht, für das Sie in München bekannt sind?
Oh nein, ich lerne heute noch, wenn es um Sushi geht – und ich mache das jetzt schon seit 13 Jahren. Sushi ist wirklich schwierig, die Qualität wird zu 90 Prozent vom Reis bestimmt! Den besten Fisch kann jeder kaufen, aber den besten Reis zu machen, ist jahrelange Übung. Das ist also der einzige Unterschied, den ich in meinem Restaurant machen kann. Und obwohl ich seit drei Jahren meinen Reis von derselben Firma bekomme, ist er jedes Mal anders. Nach all der Zeit, habe ich langsam ein bisschen Gefühl für den Reis: Wie trocken ist er? Wie viel Wasser braucht er? Aber natürlich ist auch die Qualität des Fisches sehr wichtig. Wenn ich meinen Lachs bekomme, warte ich sieben Tage, bis ich ihn serviere.
Sieben Tage? Aber jede*r will doch frischen Fisch essen, oder?
Nein, frischer Fisch ist tatsächlich ungenießbar! Er hat keinen Geschmack und ist wirklich zäh. Wenn man einen Thunfisch fängt, und ihn sofort essen würde, schmeckt er wirklich blutig. Also wartet man auch beim Thunfisch sieben Tage, bevor man ihn isst, bis der Geschmack gut herauskommt.
Sie haben eine Menge exotische Fischsorten auf Ihrer Speisekarte – wo bekommen Sie die her?
Der Münchner Fischmarkt ist in den letzten drei Jahren, seitdem wir hierher zogen, schon deutlich besser geworden. Aber wenn es um wirklich exotischen Fisch geht, arbeite ich mit Lieferanten aus Frankfurt, München und Düsseldorf. Ich bin mit meinem Restaurant zu klein, um den Fisch direkt auf dem Markt zu kaufen, also nehme ich die Fischlieferanten in Anspruch. Ich bestelle bei ihnen, was ich brauche, und sie suchen es auf der ganzen Welt für mich. Wie den weißen Thunfisch – ich glaube, ich bin ich der einzige Chefkoch in München, der ihn hat. Er kommt aus Alaska, wird von einer koreanischen Firma exportiert – und es hat ein Jahr gedauert, um ihn zu bekommen.
Woher wissen Sie, was Sie kochen möchten? Ein neues Menü erstellen – wie funktioniert sowas?
In meiner Zeit als Banker war ich viel in Restaurants essen. Meine Speisekarte ist eigentlich eine Erinnerung an Gerichte, die ich in der Vergangenheit hatte. Natürlich kann ich mich nicht an alles erinnern, was ich gegessen habe, also recherchiere ich. Zum Beispiel: Ich hatte dieses wunderbare Abendessen vor 20 Jahren in einem Restaurant in L.A. und versuche dann, das Gericht im Internet wiederzufinden.
„Meine Speisekarte ist eine Erinnerung an Gerichte, die ich in der Vergangenheit hatte."
Kochen Sie auch das, woran Sie sich aus Ihrer Kindheit erinnern?
Oh ja, viele koreanische Gerichte, die meine Mutter mir zubereitet hat. Das MUN ist ein Fusion-Restaurant, also modifiziere ich die Gerichte immer – aber es kommt schon oft vor, dass ich meine Mutter anrufe und sie frage: "Du hast mir früher doch das mal gekocht, wie hast du das gemacht?" Letzten Monat hatte ich eines der koreanischen Lieblingsgerichte meines Vaters, es heißt Nattō. Ich kann es in Deutschland allerdings nicht auf dies traditionelle Weise servieren, wie er es immer getan hat, weil es wirklich stinkt (lacht). Also habe ich meine eigene Version von Nattō gemacht und mit dem Alaska-Heilbutt kombiniert. Oder mein eigenes koreanisches Lieblingsgericht: Eine Suppe mit verschiedenen Meeresfrüchten, die allerdings nicht wirklich hübsch aussieht. Also habe ich sie auf die französische Art gemacht, eine Art Bouillabaisse, aber mit koreanischem Geschmack.
Haben Sie ein eigenes Lieblingsgericht in Ihrem Restaurant?
Im Moment liebe ich mein Fischgericht mit dem schwarzen Kabeljau – eine sehr teure, aber auch sehr gute Fischsorte. Ich mariniere ihn einfach mit Miso-Sake und einem koreanischen Gewürz und schiebe ihn dann in den Ofen.
Welche Restaurants in München sind Ihre Favoriten?
Leider habe ich wegen meines eigenen Restaurants nicht so viel Zeit zum Essen auszugehen. Ich komme sechs Tage in der Woche erst nach Mitternacht nach Hause. Morgens gehe ich mit meinen beiden Hunden spazieren, aber mit jedem einzeln, weil sie sich hassen (lacht).
Im Moment leben Sie in Haidhausen – was mögen Sie an dem Viertel?
Haidhausen ist sehr ruhig. Manchmal habe ich das Gefühl, auf dem Land zu leben. Ich laufe jeden Tag zu meinem Restaurant, und wenn ich abends zurückkomme, ist niemand auf der Straße, da kann ich richtig gut von der Arbeit abschalten. Außerdem fühle ich mich in München immer sehr sicher.
„Was mir an München gefällt, ist, dass hinter jedem Gebäude Geschichte steckt, die Stadt hat viel Tradition. Und ich liebe diese kleinen Geschichten, die man sich erzählt – wie die von dem Teufelstritt in der Frauenkirche."
Wenn Ihre Familie zu Besuch kommt, was zeigen Sie ihnen dann?
Zuerst den Marienplatz: Ich mag unser Rathaus und das schöne Glockenspiel. So etwas habe ich noch nirgendwo anders gesehen! Danach würde ich mit ihnen ins Museum gehen: Das Bayerische Nationalmuseum gefällt mir besser als die Pinakothek. Wenn das Wetter schön ist, gehen wir danach um die Ecke in den Englischen Garten, um am Chinesischen Turm im Biergarten zu sitzen. Was mir an München gefällt, ist, dass hinter jedem Gebäude Geschichte steckt, die Stadt hat viel Tradition. Und ich liebe diese kleinen Geschichten, die man sich erzählt – wie die von dem Teufelstritt in der Frauenkirche.
Sie haben den SZ-Gourmetpreis gewonnen und 15 Gault-Millau-Punkte bekommen. Was kann jetzt noch folgen?
Ich will natürlich eine höhere Punktzahl erreichen (lacht). Nein, ich koche nicht, um Punkte zu bekommen. Gault-Millau ist schön, ich bin froh, dass sie mich mögen, aber darum geht es nicht. Ich koche, weil ich den Leuten etwas erzählen möchte. Und dabei wird jedes Gericht beurteilt, das meine Küche verlässt – das können an einem Samstagabend schon mal 300 Stück sein. Als Koch ist es meine Vision, ein Produkt mit Ehrlichkeit und Herz zu präsentieren. Außerdem möchte ich dem Gast etwas Neues zeigen, ein Gericht, wie ich es gerne esse.