Nachhaltigkeit ist eines der wichtigsten Themen unserer Zeit und beschäftigt selbstverständlich auch die MICE-Branche. Wie wird ein Event klimaneutral? Diese Frage treibt auch Stephan Meier von der Münchner Beratungsagentur ClimatePartner um. Zusammen mit seinem Team möchte er Unternehmen und ihren Kunden helfen, das Klima zu schützen. Ein Gespräch über Machbarkeiten, Herausforderungen der Zukunft und CO2-Ausgleiche.
Herr Meier, was macht ein Partner des Klimas genau?
Ein echter Partner sollte Verantwortung für die von ihm verursachten Auswirkungen auf das Klima übernehmen. In der Regel sind das vor allem die Treibhausgas-Emissionen, die im Geschäftsbetrieb, bei der Produktion und dem Verkauf von Produkten sowie bei der Erbringung von Dienstleistungen entstehen. Wir als ClimatePartner arbeiten mit Unternehmen und Organisationen zusammen, die diese Verantwortung spüren und etwas tun wollen.
Welche Unternehmen sind das, die sie beraten?
Ursprünglich lag unser erster Kunden-Schwerpunkt bei Unternehmen der Druckbranche. Im Laufe der Zeit hat sich unsere Arbeit aber auf immer mehr Branchen ausgeweitet. Aktuell unterstützen wir eine große Bandbreite an Industrien wie Lebensmittel und Getränke, Textilwaren, Hygiene- und Haushaltswaren, aber auch Veranstaltungen wie Kongresse, Messen, Messehäuser und Hotels und damit in Verbindung stehende Dienstleister. Im Grunde helfen wir all jenen, die ernsthaft Verantwortung für ihre Emissionen übernehmen wollen.
Im Gegensatz zu einem einzelnen Produkt spielen bei Veranstaltungen wie Messen, Kongressen oder Tagungen ja sehr viele unterschiedliche Aspekte eine Rolle. Wie kann diese Branche klimaneutral werden?
Ja, das stimmt, es gibt den Veranstaltungsort, also etwa eine Messe- oder Kongresshalle, die Veranstaltungsdurchführung, also Technik, Mobiliar, Catering und so weiter, und natürlich die Teilnehmenden mit ihren Anreisen und Übernachtungen. Bei allen drei Aspekten geht es darum, die dabei anfallenden Emissionen zu erfassen, möglichst zu reduzieren und die restlichen Emissionen durch zertifizierte Klimaschutzprojekte auszugleichen.
Bei der Wahl der Hotels kann man auf nachhaltig zertifizierte oder sogar klimaneutrale Unterkünfte achten – mit möglichst kurzen Wegen zur Eventlocation. Und auch beim Informationsmaterial lässt sich CO2 einsparen: statt Flyern und anderen Druckmaterialien einfach eine Veranstaltungsapp nutzen.
Was bedeutet das genau? Wo kann man CO2 einsparen?
Einsparpotentiale für Emissionen gibt es eine ganze Menge: Das beginnt bereits bei der Auswahl einer energieeffizienten Eventlocation, die mit Grünstrom betrieben wird und gut an den öffentlichen Nahverkehr angebunden ist. Weiter geht es mit Mülltrennung, Mehrweg statt Einweg, Anreisen per Bahn statt Flugzeug oder Auto und fleischloses, veganes und regionales Catering. Bei der Wahl der Hotels kann man auf nachhaltig zertifizierte oder sogar klimaneutrale Unterkünfte achten – mit möglichst kurzen Wegen zur Eventlocation. Und auch beim Informationsmaterial lässt sich CO2 einsparen: statt Flyern und anderen Druckmaterialien einfach eine Veranstaltungsapp nutzen.
Wie gehen Sie in der Beratung für Veranstaltungen konkret vor?
Wir erfassen all diese Faktoren systematisch und berechnen ihre Auswirkung. Dem voran geht natürlich eine genaue Definition dessen, was in die Bilanzierung überhaupt mit einbezogen werden soll – ist es die Anfahrt der Besucher*innen und Teilnehmenden, oder ist es das Event alleine? Oder sogar beides? Ist ein Event an einer zentralen Location oder ist es dezentral auf mehrere Standorte verteilt? Wir arbeiten bereits mit vielen großen und internationalen, aber auch kleineren regionalen Veranstaltungen zusammen und haben mittlerweile sehr gute Erfahrungswerte, anhand derer wir schon sehr früh einschätzen können, wie groß der Aufwand sein wird.
Müssen ihre Auftraggeber in Vorleistung gehen?
Tatsächlich macht es unsere Arbeit einfacher, wenn die Veranstalter selbst bereits konkrete Strategien und Pläne zum Klimaschutz definiert haben – entweder mit uns zusammen oder bereits vorab. Dann lassen sich die Maßnahmen zum Umgang mit den CO2-Emissionen deutlich leichter integrieren und auch entsprechend kommunizieren. Die European Championships in München 2022 hatten zum Beispiel bereits im Vorfeld ein umfassendes Nachhaltigkeitskonzept aufgestellt.
Wir arbeiten bereits mit vielen großen und internationalen, aber auch kleineren regionalen Veranstaltungen zusammen und haben mittlerweile sehr gute Erfahrungswerte, anhand derer wir schon sehr früh einschätzen können, wie groß der Aufwand sein wird.
Die European Championships Munich 2022 sind also ein Vorbild?
Sie setzen auf alle Fälle ein Zeichen in der Stadt, was Nachhaltigkeit und Klimaschutz betrifft. Und auch auf dem Oktoberfest machten sich zuletzt 2019 einige Veranstalter Gedanken zum Klimaschutz und haben ihre CO2-Emissionen mit uns berechnet und ausgeglichen.
Veranstalter können also einiges auch selbst leisten.
Ja, eine ganze Menge sogar. Sie machen die Regeln, sie setzen die Standards und definieren die Konzepte. Das ist nicht nur aus Klimaschutzgründen wichtig, sondern hilft auch, sich konzeptionell von anderen Events zu differenzieren. Eine Messe von Gestern will heute ja niemand mehr. Jedes Event lässt sich durch digitale Medien und Einbindung externer Sprecher und Teilnehmer via Videocasts wunderbar internationalisieren. Hybrid-Formate sind definitiv auf dem Vormarsch, müssen aber auch als solche – Stichwort höherer Energiebedarf – bei einer Bilanzierung eingepreist werden.
Jedes Event lässt sich durch digitale Medien und Einbindung externer Sprecher und Teilnehmer via Videocasts wunderbar internationalisieren.
Tatsächlich benötigt Streamen, Chatten oder Zoomen ja auch sehr viel Energie. Bedeutet das, dass hybride Veranstaltungen am klimaschädlichsten sind?
Pauschal lässt sich das nicht so sagen. Wenn der höhere Energiebedarf bei Hybrid- oder Digitalevents durch Grünstrom gedeckt ist, kann das deutlich klimafreundlicher sein, als eine Veranstaltung mit klimaneutralem Catering, Mobilität und Unterkunft. Andererseits können digital wesentlich mehr Teilnehmer eingebunden werden. Es kommt also stets auf eine Berechnung der tatsächlichen Daten an. Zudem müssen wir immer mitbedenken, dass jedes Event auch eine Wirkung haben soll – nämlich den Austausch zwischen Menschen, die Vernetzung und Interaktion. Die ist ohne Zweifel durch persönliche Begegnungen besser und zielführender, als wenn es nur online stattfindet.
Der Weg zur einem klimaneutralen Kongress ist also recht kompliziert.
Sagen wir herausfordernd. CO2-Bilanzen von Events werden leider oft sehr kurzfristig beauftragt. Und dann fehlt meist die nötige Zeit, um nach der Berechnung des CO2-Fußabdrucks die abgeleiteten Reduktionsmaßnahmen noch rechtzeitig in die Eventplanung miteinfließen zu lassen. Andererseits ist die exakte Berechnung des Event Carbon Footprints umso herausfordernder, je größer die Vorlaufzeit ist. Denn die eigentliche Größenordnung einer Veranstaltung steht erst dann genau fest, wenn sie stattgefunden hat. Wir setzen in solchen Fällen vorab erhobene Schätzwerte an, die sich aus unserer Erfahrung plus einem Sicherheitsaufschlag zusammensetzen. Nach der Veranstaltung, wenn also die tatsächlichen Verbrauchsdaten und Teilnehmerzahlen feststehen, rechnen wir dann nochmal nach und korrigieren gegebenenfalls die Berechnung.
Und wenn man nicht komplett klimaneutral war, dann gibt es ja immer noch die Möglichkeit eines CO2-Ausgleichs, wie man ihn beispielsweise vom Fliegen kennt.
Tatsächlich ist gerade Fliegen kein gutes Beispiel für den CO2-Ausgleich. Beim Ausgleich geht es stets darum, Vermeidung und Reduktion anzugehen und nur die Emissionen auszugleichen, die dann noch übrigbleiben. Langfristig muss das Ziel sein, dass durch Veränderung, etwa bei der Herstellung von Produkten, immer weniger übrigbleibt, das ausgeglichen werden muss. Ein Flug dagegen wird immer ein Flug bleiben und mit einem Flugzeug stattfinden. Da muss man sich viel eher fragen: Ist der Flug überhaupt notwendig, gibt es Alternativen, oder eben andere, nähere Reiseziele?
Es gibt den klaren Trend hin zu immer konkreteren Anforderungen, was die Bilanzierung und den Umgang von Treibhausgasemissionen betrifft.
Was sollte man denn bei einem CO2-Ausgleich von Veranstaltungen beachten?
Beim Thema Klimaneutralität ist tatsächlich einer der wichtigsten Aspekte, wie der Ausgleich umgesetzt wird: Er sollte nur über zertifizierte und überprüfte Klimaschutzprojekte stattfinden, die den Anforderungen strenger Standards entsprechen. Die Einsparungswirkung der Projekte muss bestätigt und zertifiziert sein.
Die Bandbreite der Projekte reicht von Waldschutz und Aufforstung über Wasserschutz, Vermeidung von Waldabbau und Rodungen bis hin zum Ausbau regenerativer Energiequellen wie Wind- oder Wasserkraft. Die Projekte müssen grundlegenden Prinzipien entsprechen: Ihre Emissionseinsparung muss dauerhaft sein und darf nicht doppelt gezählt werden, sie müssen auf Finanzunterstützung angewiesen sein und regelmäßig überprüft werden. Darüber hinaus müssen sie die „UN-Ziele zur Nachhaltigen Entwicklung“ (UN SDGs) unterstützen, also einen wesentlichen sozialen Mehrwert zusätzlich zu ihrer Klimaschutzwirkung haben.
Wie realistisch ist es, dass Veranstaltungen in wenigen Jahren wirklich komplett klimaneutral sind?
Bei Events ist es wahrscheinlich ähnlich wie bei Unternehmen oder gar Ländern: Es gibt den klaren Trend hin zu immer konkreteren Anforderungen, was die Bilanzierung und den Umgang von Treibhausgasemissionen betrifft. Das ist auch gut so, denn ein „Weiter so“ darf es nicht geben.