Wild, gezähmt und nun wieder wild: Die Münchner Isar hat schon einige Wandlungen durchlebt: Ein wilder Fluss im 18. Jahrhundert, später ein eingezwängter Kanal und heutzutage das liebste Badeziel der Münchner*innen. Dank des Renaturierungsprojekts „Isar-Plan“ ist der Fluss wieder beschwimmbar – und hat sich zu einem Erholungsort für Mensch und Tier entwickelt. Wir stellen die wichtigsten Stationen einer Renaturierungstour vor.
Viele Unternehmen versuchen gerade, in immer mehr Arbeitsbereichen nachhaltiger zu werden. Die Umstellung beispielsweise auf klimaneutralere Fertigung ist oft nicht einfach. Da hilft es, ein Projekt kennenzulernen, welches sehr erfolgreich den Wandel zu mehr Umweltfreundlichkeit geschafft hat. Das Isar-Renaturierungsprojekt ist dafür ein Paradebeispiel. Auch deshalb bietet das Wasserwirtschaftsamt München Touren entlang der Isar an. Stefan Homilius, Leiter des Münchner Wasserwirtschaftsamts: „Umweltbewusstsein sowie der positive Umgang mit unseren Gewässern ist uns ein großes Anliegen. Deshalb bietet wir auf Nachfrage Touren an, bevorzugt für Institutionen, die sich mit dem Thema Umwelt, Wasser und der Umweltbildung befassen.“
Abenteuerlustige Nachhaltigkeitsfans können den renaturierten Fluss aber auch auf eigene Faust erkunden. Im Rahmen einer halbtägigen Exkursion lässt sich der Themenweg „Natur“ außerhalb der Stadtgrenzen erleben – ein knapp zehn Kilometer langer Spaziergang zwischen der Dürnsteiner Brücke bei Schäftlarn und dem Ickinger Wehr, der mit elf Infotafeln ausgestattet ist. Kompakter ist eine kleine Runde in der Stadt, die über vier Stationen geht. Sie beginnt an der Wittelsbacherbrücke und endet am Isarwerk 2 in der Nähe des Flauchers, ist gut zweieinhalb Kilometer lang und bequem in einer Stunden zu schaffen. Wir stellen die wichtigsten Stationen der Tour vor. Viel Spaß beim Erkunden!
Los geht’s an der Wittelsbacherbrücke. Als hier 1899 ein Hochwasser München überschwemmte, war die eiserne Vorgängerbrücke eine der wenigen Brücken, die den Wasserfluten standhielt. Doch nach weiteren verheerenden Hochwassern beschloss die Stadt Ende der 1950er-Jahre, die Isar weiter zu begradigen. „Die Isar war im Stadtgebiet bis zum Beginn der Umsetzung des Isar-Plans in Teilen stark kanalisiert“, erklärt uns Homilius. Dieses „Korsett“, das der Isar angelegt wurde, hatte viele negative Folgen: Die Begradigung in den 1960er- und 1970er-Jahren zerstörte beinahe vollkommen die Lebensräume für Mensch und Tier entlang der Isar.
Hier kam der Isar-Plan ins Spiel. „Die Ziele des Isar-Plans lassen sich in drei Punkten zusammenfassen: die Sicherheit der Münchner vor Hochwasser, die Verbesserung der Ökologie und der Erholungsfunktion“, so Homilius. Von 2000 bis 2011 wurde die Isar umgebaut. Nördlich der Wittelsbacher Brücke ist beispielsweise die Weideninsel zu sehen, die bei der Renaturierung als Rückzugsort für Flora und Fauna konzipiert wurde. Neben den Tieren haben auch die Menschen wieder Freude an der Isar: Die Stufen, die im Rahmen der Renaturierung um die Wittelsbacherbrücke gebaut wurden, sind im Sommer gut besucht. Hier treffen sich viele Münchner*innen, um die Natur mitten in der Stadt zu genießen.
Es geht weiter entlang der Isar in Richtung Süden.
Willkommen an Station zwei, der Braunauer Eisenbahnbrücke. Brücken sind bei Hochwasser empfindliche Punkte: Hier herrscht die sogenannte Verklausungsgefahr: Wenn bei Hochwasser der Fluss Holz mit sich reißt, kann das dazu führen, dass es sich an Brückenpfeilern verkeilt. Bei der Renaturierung um die Braunauer Eisenbahnbrücke wurde mit Kalkstein die Böschung verstärkt. Damit soll verhindert werden, dass sich die Isar nach Osten bewegt – so wird der Bereich des Flusses mit der größten Strömung von den Pfeilern der Braunauer Eisenbahnbrücke weggelenkt.
Auf dem Weg zur nächsten Station fallen vereinzelte Baumstämme auf, auf denen sich Münchner*innen gerne ausruhen. Überreste eines Hochwassers? Nein, die Stämme sind gezielt positioniert, um die Bildung von Trampelpfaden zu verhindern. Diese können bei Hochwasser die Basis für Tiefenerosion sein – der Vertiefung des Flussbettes. Wer möchte, kann hier haltmachen.
Weiter geht’s zum Flaucher: an den Ort für Baden, Grillen und Erholung im Münchner Sommer. Planen Sie hier einen kleinen Picknickstopp für Ihre Kolleg*innen ein. Das klare Wasser hier ist nicht selbstverständlich. „Im oberen Bereich der Isar haben wir Kläranlagen installiert, die mit Desinfektionsanlagen ausgerüstet sind, damit keine Krankheitserreger ins Wasser gelangen. So hat die Isar Badequalität“, erklärt Homilius.
Vor der Renaturierung war die Reproduktion von Fischen rund um den Flaucher undenkbar. Bei der Renaturierung hat der Isar-Plan deshalb spezielle Ruhezonen für die Fische vorgesehen. „Man erkannte die ökologische Verbesserung aber nicht nur an den Fischen“, sagt Homilius. „Auch an den Käfern und an den kleinen Insekten. So gibt es zum Beispiel wieder Schmetterlingsarten wie den himmelblauen Bläuling oder den gelbwürfeligen Dickkopffalter.“
Auf zum letzten Halt: ans Isarwerk. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden entlang der Isar mehrere Wasserkraftwerke zur Stromerzeugung errichtet. Damit verbunden war auch der Bau des Isar-Werkkanals: im Seitenkanal der Isar entsteht elektrische Energie. Hier muss stets zwischen Naturschutz, also dem Wasserstand der Isar, und der umweltfreundlichen Energiegewinnung, dem Werkkanal, entschieden werden. Wir sind am Ende unserer Tour angelangt. Stefan Homilius empfiehlt: „Einfach mal die Füße in die Isar halten und es selbst erleben. Das ist meiner Meinung nach sogar besser, um die Renaturierung zu verstehen, als es erklärt zu bekommen.“
Rund ein Vierteljahrhundert nach dem Start des Renaturierungsprojekts gehören Isar und Isarauen zu den wichtigsten Charakteristika der Stadt und machen gleichzeitig Mut, dass große Nachhaltigkeitsprojekte gelingen können. Auch, wenn sie ein bisschen Zeit brauchen. Eine wunderbare Erkenntnis für jedes Unternehmen, das sich ehrgeizige Nachhaltigkeitsziele gesteckt hat.