Mit ihrer spektakulären Bauweise sind das Olympiastadion und die Olympiahalle nicht nur architektonisch markante Herzstücke des Münchner Olympiaparks – seit seiner Eröffnung 1972 sind sie auch regelmäßig wichtige Veranstaltungsorte.
Kaum waren die Olympischen Spiele am 12. September 1972 beendet, verwandelten sich die heiligen Hallen des Sports in Konzertsäle. Die Crème de la Crème des Pop trat unter den Zeltdächern auf, ab 1982 auch open air im Olympiastadion. Wir erinnern uns an zehn legendäre Auftritte – gemeinsam mit Andreas Heinitz, seit 1997 Hallen- und Stadionmeister.
„Auch wenn einem die Musik nicht so liegt – die hatten mit Abstand die wahnsinnigste Feuer-Bühnenshow“, erinnert sich Hallen- und Stadionwart Andreas Heinitz. „Wir hatten in der Arena mehrere Tower aufgebaut, aus denen oben zur Musik Feuerwerk sprühte, so dass man die Wärme spüren konnte. Viel Knall und Rauch und dann die theatralischen Showeffekte!
Ich weiß noch, wie der Sänger Till Lindemann für das Lied ,Puppe‘ einen riesigen Kinderwagen auf die Bühne schob, der am Ende Feuer fing. Bei ,Mein Teil‘ wurde Keyboarder Christian ,Flake‘ Lorenz von Lindemann, verkleidet als Fleischer, mit dem Feuerwerfer im Kochtopf geschmort. Am Ende der Slapsticknummer durfte Flake seinen Peiniger von der Bühne schubsen.“
Der Absturz einer Bühnenbrücke bei seinem Benefiz-Auftritt zugunsten der UNESCO und des „Nelson-Mandela-Children’s Fund“ am 27. Juni 1999 war geplant, doch geriet das Ganze außer Kontrolle, und der Aufzug donnerte viel zu schnell und zu weit nach unten.
Viel Knall und Rauch und dann die theatralischen Showeffekte!
„Es war schlichtweg ein technischer Fehler“, stellte Jacksons Welttournee-Veranstalter Marcel Avram später fest. Jackson stürzte 14 Meter in die Tiefe, doch er blieb bis auf ein paar Prellungen und Schrammen unverletzt und machte weiter! „You Are Not Alone“ sang er zum Abschluss und verschwand hinter der Bühne. Danach wurde er gleich ins Krankenhaus rechts der Isar gebracht, wo er bis zum nächsten Morgen behandelt wurde.
„21 Jahre nach seinem ersten Auftritt, am 6. Juli 2003, sprang er auf die Bühne und rief gut gelaunt ins Mikrofon: ‚Guten Abend, mein Name ist Robbie Williams. Ich bin ein Rockstar!‘“, erinnert sich Heinitz. „Im Jahr 2006 spielte Williams dann sogar dreimal hintereinander im ausverkauften Stadion – das ist, soweit ich mich erinnere, bis heute Rekord.“
20.000 Fans versammelten sich für den Entertainer aus England dabei alleine draußen auf den Hängen des Olympiabergs. „Robbie Williams war vor allem beim weiblichen Publikum wohl der beliebteste Künstler, der hier je aufgetreten ist“, sagt Heinitz. „Für ihn und seine Gitarristen musste ich eigens in der Garderobe immer einen Fitness- und Kraftraum mit Hantelbänken einrichten. Und vor dem Konzert sah ich noch zu, wie sie alle pumpten.“
„Ich arbeitete noch an der Stoff-Bühnenverkleidung in der kleinen Olympiahalle und sagte zu einem Mitarbeiter: ‚Mein Stoff ist aus!‘ Da kreischte sie mir von hinten mit ihren typisch weit aufgerissenen blauen Augen lautstark mit Mikrofon zu: ‚Sind Sie hier der Hausdealer, und mein Stoff ist jetzt alle?‘“
„Das waren tolle Veranstaltungen an zwei Tagen hintereinander“, erzählt Andreas Heinitz. „Ich erinnere mich, wie sie an gespannten Seilen von einem Tower zum anderen im Stadion singend hoch über die tobenden Zuschauermassen hinwegschwebte.“ Musikalisch präsentierte sich die zweifache Mutter überwiegend rockig, sogar, wenn sie mit dem Kopf nach unten über der Bühne hing. Unterstützt wurde alles von einer unheimlich aufwendigen Lightshow. Und zu jedem Song ein neues Bühnenbild. Bei „Just like Fire“ stand Pink im optischen Flammenmeer, beim nächsten Stück stand sie einsam in einem schwarz-düsteren Märchenwald.
Auch als es nach einer Stunde (in echt) zu regnen begann, machte sie unbeirrt im ungeschützten Bereich weiter, ja, schien sogar die Abkühlung zu genießen. „Der Regen ist perfekt“, rief sie in die tobende Menge. Die Fans spannten die Schirme auf und feierten sie von da an um so mehr. Die Schauer hielten Pink auch nicht davon ab, zu „So What“ an Seilen ganz niedrig durchs Stadion zu sausen, mal aufrecht, dann wieder kopfüber kam sie den Fans ganz nah. Heinitz’ Bilanz: „Eine irre Regen-Show!“
„Wir mussten alle Räume, wie zum Beispiel die Garderoben, mit weißen Tüchern auskleiden und schneeweiß eintünchen, ganz spezielle Mineralwasser bereitstellen, damit sich die Künstlerinnen und Künstler wohlfühlen“, sagt Heinitz. Eigentlich hatte der Star selbst nach dem schrecklichen Amoklauf im Olympia-Einkaufszentrum nebenan seinen Auftritt in München bis zuletzt infrage gestellt.
Schließlich erging spontan ein polizeiliches Verbot für das Mitbringen von größeren Taschen und Rucksäcken. Einige der mehr als 40.000 Fans debattierten bei der Leibesvisitation an der Kontrolle, ob ihre Tasche doch schon zu groß sei, und gaben sie dann in einem extra dafür eingerichteten Zelt ab.
Peter Maffay war zwar dabei – und doch irgendwie fehl am Platz.
Gegen halb zehn rollte ein halbes Dutzend schwarze Limousinen in die Arena, aus denen vor der Bühne Band und Star entstiegen. „Rihanna schritt durch den Graben vor der Bühne, ganz dicht vorbei an der jubelnden Masse“, erinnert sich Stadionwart Heinitz. „Sie trug einen weißen Kapuzenmantel, der auf den ersten Blick wie der Bademantel eines Boxers auf dem Weg zum Ring anmutete. Später war dann für alle zu erkennen, dass der Bademantel knapp überm Po endete …“
Sein erstes Rockkonzert im Münchner Olympiastadion würde Peter Maffay wohl gerne vergessen. Er war zwar dabei – und doch irgendwie fehl am Platz. „Wir spielten als Vorband der Rolling Stones“, erinnert er sich in einem späteren Zeitungsinterview. „Unser Programm war soft. Viel zu soft für einen heißen Nachmittag, für den Alkoholpegel des Publikums. Erst wurde gebuht, dann flogen Cola-Dosen, Gemüse, Eier. Wir spielten weiter, wichen den Geschossen aus, duckten uns nach rechts und links, wie in einem Boxkampf.“
Es war der 10. Juni 1982, und mit einem Schlagersänger hatten die 78.000 Rockfans kein Erbarmen. In seinen Erinnerungen zum 80. Geburtstag des legendären Konzertveranstalters Fritz Rau sprach Maffay davon, wie Rau seine Band damals rettete: „Plötzlich stürmt ein großer Mann auf die Bühne, stellt sich vor uns, breitet die Arme aus und brüllt die Menge an: ,Wenn ihr die bewerft, dann müsst ihr auch mich bewerfen!‘ Fritz Rau gegen 78.000 Zuschauer. Heldenhaft!“
Natürlich hat Maffay mittlerweile längst seinen Frieden mit dem Münchner Rockfan-Publikum gemacht: Seit 1982 sind Hunderttausende Fans nur wegen Peter Maffay unter das Zeltdach gekommen.
Sie waren die Allerersten, die nach den Olympischen Spielen im Stadion auftraten. 1973 war das. Heinitz, der erst seit 1996 dort arbeitet: „Eigentlich lernte ich ja die Stars nur sehr selten persönlich kennen, weil sie von ihren Bodyguards abgeschirmt werden.
Ich blickte in Keith Richards' verlebtes, tief zerfurchtes Gesicht wie in eine freundlich grinsende Steinlandschaft und hatte einen Augenblick lang das Gefühl, der überlebt die Show nicht.
Aber manchmal eben doch! Zum Beispiel, wenn sie die Jungs um sich versammeln und sich einsingen und heiß machen für den Auftritt. Zum Beispiel Keith Richards backstage, 1998: Ich wurde von einem Security-Mann angerufen und gebeten, schnell in den abgeschirmten Garderobenbereich zu kommen, wo ich ein paar verschlossene Türen öffnen sollte, damit sich die Stones noch mal die Dimensionen der Räume anschauen konnten.
Ich komme also um die Ecke, und da steht Keith Richards vor mir! Ich blickte in sein verlebtes, tief zerfurchtes Gesicht wie in eine freundlich grinsende Steinlandschaft und hatte einen Augenblick lang das Gefühl, der überlebt die Show nicht. Ich erzähle das, weil ich selten einem Künstler so nah war. Und woran ich mich bei den Stones noch erinnere: Sie hatten bei Weitem die meisten Trucks. So um die siebzig.“
„Das war eines der legendärsten Konzerte meiner gesamten Zeit als Stadion- und Hallenwart in der Olympiahalle“, erzählt Heinitz. „Sie hatten nämlich diese beeindruckend echt wirkende Dampflok auf der Bühne. Die bestand zwar nur aus einer Hälfte und war aus Styropor und Leichtmetall, aber sie wirkte durch die raffinierte Beleuchtung enorm echt, ja fast bedrohlich.“
„Am besten erinnere ich mich an die Show an seinem 71. Geburtstag, am 17. Mai 2017“, erzählt Heinitz. „Irgendwie war ihm das allerdings völlig egal.
Immer wieder stimmten Gruppen auf den Zuschauerrängen der Olympiahalle Geburtstagslieder für den Panikrocker an. Er aber überhörte alles cool und zog seine Show durch. Ich erinnere mich auch daran, wie er vor ausverkauftem Haus mit einem Glas Weißbier in der Hand mit einem Greifarm auf die Bühne gehievt wurde, und dieses Glas Weißbier klickte er an seinen Mikrofonständer, wo es dann bis zum Schluss hängen blieb.“
Weitere unglaubliche Geschichten erzählt Herbi Hauke, ehemaliger Leiter des Rockmuseums, in unserem Podcast "Auf eine Runde mit ...", es lohnt sich!