München ist bekannt als Drehort für Filme und Serien. Oft ist es vor allem die Musik, die im Kopf bleibt. Aber wie klingt denn nun eigentlich die Stadt selbst? Hat sie überhaupt ihren eigenen Klang? Wir haben mit Harold Faltermeyer gesprochen, einem der erfolgreichsten Filmkomponisten Hollywoods – und dazu einem echten Münchner Kindl.
Herr Faltermeyer, Sie sind Hollywood – aber Sie sind und bleiben auch München. 1952 wurden Sie in München geboren, inzwischen arbeiten Sie als einer der erfolgreichsten Filmkomponisten Hollywoods und haben mit Titelmelodien, etwa von „Beverly Hills Cops“ und „Top Gun“, Kult geschaffen. Heute leben Sie abwechselnd in Los Angeles und Baldham. Gibt es für Sie einen typischen München-Sound?
Da fällt mir natürlich spontan erst mal das Glockenspiel mit seinen 43 Glocken am Rathausturm am Marienplatz ein, und auch der Schäfflertanz. Das sind klassische München-Melodien. Für viele, die zum ersten Mal in die Stadt kommen und pünktlich um elf an den Marienplatz pilgern, ist das der Klang von München. Auch das Läuten der Glocken vom Alten Peter ist so ein typischer München-Sound – diese Glocken hört man treffsicher aus den Geräuschen der Stadt raus! Obwohl wir, etwa im Vergleich zu den Glocken des Salzburger Doms, in München in Sachen Glockenklang etwas arm dastehen.
Sie beschäftigen sich Ihr ganzes Berufsleben mit Melodien, Sie vertonen quasi Emotionen. Aktuell haben Sie, gemeinsam mit Hans Zimmer, den Soundtrack der „Top Gun“-Fortsetzung komponiert. Gibt es für Sie ein typisches Münchner Lied, das den Charakter der Stadt beschreibt?
Natürlich! Das berühmteste Wirtshaus der Welt ist schließlich das Hofbräuhaus! Und da gibt’s ein Lied dazu: „In München steht ein Hofbräuhaus …“ Auch das ist eine Hymne von und für München! Behäbig, gemütlich und durchaus ironisch! Oder Ferdl Weiß’ „Ein Wagen von der Linie 8”. Das sind Melodien, die 100 Prozent für München stehen.
Wie steht es mit typisch Münchner Filmmusiken?
Da fallen mir natürlich gleich die Titelmelodien der großen Helmut-Dietl-Filme ein, die in München spielen und die Münchner so unvergleichlich charmant porträtieren. Etwa die von „Kir Royal“ und den „Münchner G’schichten“. Denkt man an diese Serien, dann häufig zuerst an die Titelmelodien, die braucht man ja nur anzupfeifen und schon hat man die entsprechenden Bilder im Kopf. Ich persönlich denke dabei auch ganz besonders an Konstantin Wecker, mit dem ich meine ersten musikalischen Gehversuche gewagt habe!
Der Konstantin Wecker singt ja nicht nur münchnerisch, der spricht ja auch münchnerisch!
Ganz genau, und schon wieder etwas zum Thema Münchner Klang: Wie der Konstantin Wecker spricht, wie er grant’ln kann, in Kombination mit seinem musikalischen Genie – das ist für mich genau das, wonach Sie fragen: Der Sound der Stadt München! Nicht umsonst hat ihn der Helmut Dietl als Film-Komponisten für seine herrliche München-Serie „Kir Royal“ ausgesucht.
München-Sound ist also nicht nur Musik, sondern auch Sprache.
Deshalb muss ich auch den Münchner Dialekt da mitzählen! Es gib ihn noch, diesen echten Münchner Dialekt, der sich nochmal vom Oberbairischen unterscheidet! Und dieser Dialekt repräsentiert die stoische Gemütlichkeit, die München eigentlich so an sich hat – wenn man auch davon heute nicht mehr sehr viel spürt in der Stadt. Auch die Biermösl Blosn mit ihrem Sound aus Stubenmusi, Satire und Mundart verbinde ich mit München, wenn sie auch genau genommen nur aus der Nähe von München stammen!
So wie Sie! Sie leben seit vielen Jahren ja auch in Kalifornien. Verbindet man eigentlich das, woran wir hier denken, auch im Ausland mit München?
Eben nicht unbedingt! All diese musikalischen Highlights sind doch zu wenig international, um weltweit die Stadt zu repräsentieren, finde ich. Anders ist das mit dem „Munich-Sound“, an den muss ich hier mal kurz erinnern. Das Ganze fing ja schon in den frühen 1970er Jahren an und hat sich in Münchner Studios entwickelt – allen voran das Union-Studio in Solln. Da experimentierten auch ein paar sehr innovative und kreative Toningenieure – die Key-People in Sachen Sound. Ganz entscheidend für den Grund-Beat des „Munich-Sounds“ ist die sehr tief gestimmte, trockene Snare-Drum und eine knallharte Base-Drum. Dazu kamen dann sehr früh Leute wie der Keyboarder Sylvester Levay und Michael Kunze, die Erfinder von „Silver Convention“, die Initiatoren des „Munich-Sound“, zu dem dann auch Giorgio Moroder mit Donna Summer stieß. Die hatten dann in den US-Charts tatsächlich eine Nummer Eins. Die Älteren unter uns erinnern sich sicher an den Ohrwurm „Fly Robin Fly“ mit den quietschenden Geigen von „Munich Machine“.
Was ist denn aus dieser typischen Münchner Disco-Music geworden?
Leider verlief sich dieser Munich-Sound nach den 70ern schnell wieder im Sand – ganz einfach, weil die Protagonisten alle nach Amerika abgewandert sind. Aber die Melodien, die sind geblieben und für immer untrennbar mit der Stadt verbunden.