Das Universum der Münchner Würste ist nicht unendlich. Seine Weiten mögen gerade dem Reisenden dennoch unergründlich erscheinen. Weißwurst, Blutwurst, Lyoner oder Gelbwurst? Die Münchner Wirtshäuser und Metzger bieten viele traditionelle Wurstsorten an. Eine Orientierungshilfe.
Klar, die bekannteste Münchner Wurst ist die Weißwurst. Sie ist dick, kurz und wird stückweise verkauft. Für die Herstellung folgt jede Metzgerei ihrem eigenen Rezept.
Hauptbestandteile sind Kalbfleisch, Schweinerückenspeck, Eisschnee und Kochsalz; dazu wahlweise Petersilie, Pfeffer oder Zitronenpulver. Die Weißwurst wird gebrüht und mit süßem Senf, Brezn und Weißbier serviert.
Echte Einheimische zuzeln sie gern: Also schlürfen die Wurst direkt aus der Pelle heraus, ohne sie zu schälen. Auf alle Fälle sollte man vor dem ersten Bissen die Haut abziehen, sonst wird es arg zäh. Klassisch wird die Weißwurst zum Frühschoppen oder zu Mittag gegessen. Einem alten Spruch nach darf sie „das Zwölfeleuten nicht hören“.
Je nach Legende geht das auf die Handwerker zurück, die die Weißwurst gern als Brotzeit verspeisten und die Plätze im Wirtshaus zu Mittag räumen sollten – oder schlicht auf die mangelnden Kühlmöglichkeiten und die schnelle Verderblichkeit der frischen Würste vom Morgen.
In historischen Maßstäben sind Blut- und Leberwürste die Urgroßeltern unter den Würsten: Bereits die alten Griechen sollen Blutwurst gegessen haben, bevor sie in den Kampf zogen.
Die Wollwürste sind eng mit den Weißwürsten verwandt. In der Wurstfamilie nehmen sie die Rolle der missverstandenen Brüder ein. Sie werden auch gern als „Nackerte“ bezeichnet, da sie ohne Darm daherkommen.
Eine andere, liebevoll-münchnerische Bezeichnung nennt sie „G'schwollne“ – vielleicht, weil sie ohne die Haut ein wenig aufgequollen aussehen. Die Herstellung verläuft ähnlich wie bei der Weißwurst, allerdings kommen Wollwürste ohne die zähe Haut aus.
Sie landen meist in der Pfanne und werden gebraten, bis sie schön braun sind. Manche schwören darauf, sie des besseren Geschmacks wegen zuvor in Milch zu tunken. Klassische Beilagen sind Bratensoße und Bayerischer Kartoffelsalat mit Essig und Öl.
Wenn die Wollwürste die missverstandenen Brüder der Weißwurst sind, dann sind die Stockwürste die verschollenen. Nur noch wenige Münchner Metzger auf dem Viktualienmarkt bieten sie an.
Die Stockwurst ist der Weißwurst sehr ähnlich, beide sind auf den ersten Blick entsprechend schwer auseinanderzuhalten. Im Inneren besteht die Stockwurst vor allem aus Rindfleisch, weshalb sie deutlich herzhafter schmeckt. Auch sie wird gebrüht und mit süßem Senf und Brezn serviert; allerdings wird sie traditionell nicht gezuzelt.
Wursthistoriker sehen in der Weißwurst eine Weiterentwicklung der Stockwurst. Diese wiederum stammt vermutlich von der französischen Boudin blanc ab, einer ungepökelten Wurst, die Napoleons Soldaten Anfang des 19. Jahrhunderts nach Bayern brachten.
Die Rostbratwurst oder Schweinswurst ist ziemlich klein und dünn, weshalb sie immer zu mehreren kommt. Sie besteht vor allem aus Schweinefleisch, Salz, Pfeffer und einer Prise Majoran. Sie wird gegrillt, bis sie sich von fadem Grau in knackiges Braun verfärbt. Dazu wird Sauerkraut und mittelscharfer bis scharfer Senf gereicht.
Die Schweinswürstl gehören zur weitläufigen Familie der Rost- und Grillbratwürste, wie es sie überall in Deutschland gibt, wenn auch in sehr unterschiedlichen Variationen: Die norddeutsche Currywurst etwa ist eine weit entfernte Cousine.
An vielen Münchner Grillständen findet man auch längere und dicke Bratwürste, meist weiß oder rot, die Namen variieren gern. Die roten Würste sind kräftiger gewürzt und schmecken bisweilen scharf bis rauchig. Serviert werden sie in der Semmel mit Senf oder Ketchup – der ideale Imbiss für unterwegs.
Klingt irgendwie logisch: Ihren Namen hat die Gelbwurst von der gleichfarbigen Hülle, in die abgefüllt wird. Früher waren das Schweinedärme, die sich in Safranwasser gelb verfärbten. Heute verwenden Metzgereien spezielle Kunstdärme, die vor dem Essen abgeschält werden.
Die Gelbwurst ist eine mild gewürzte Brühwurst und innen weiß. Sie besteht aus Schweine-, Kalb- oder Rindfleisch. In dünne Scheiben (bairisch: Radeln) geschnitten landet sie gerne auf Semmeln und Brot.
Je nach Geschmack und Füllzustand des Kühlschranks lässt sich das Ganze mit Salatblättern, Gurkenscheiben und Butter kombinieren – fertig ist ein echt bayerisches Sandwich. In einigen Metzgereien ist es üblich, dass Kinder ein Radel Gelbwurst zugesteckt bekommen.
Die Wollwürste sind eng mit den Weißwürsten verwandt. In der Wurstfamilie nehmen sie die Rolle der missverstandenen Brüder ein. Sie werden auch gern als „Nackerte“ bezeichnet.
Die Milzwurst stellt man sich am besten als entfernte Verwandte der Weißwurst vor, besteht sie doch zu 65 Prozent aus Weißwurstbrät. Ein weiteres Viertel ist für Schweinefleisch und ein Zehntel für Rindermilz reserviert; den Rest machen Gewürze wie Salz, Pfeffer, Ingwer oder Petersilie aus.
Die bekannteste Variante kommt als Brühwurst mit Milzstücken daher. In einer zweiten Variante, der Briesmilzwurst, sind zusätzlich Briesstückchen eingearbeitet. Beide Versionen können vielfältig zubereitet werden: zum Beispiel in Scheiben in der Pfanne gebraten. Oder paniert. Oder im Bräter für zwei Stunden aufgebacken und dabei mehrmals mit Brühe übergossen.
Beinah gänzlich unbekannt ist Variante Nummer drei: eine mit Bries und Hirn gefüllte Rindermilz. Die Fleischbestandteile werden hier zuerst in Salzwasser gewässert. Die mit Wurstmasse gefüllte Milz wird anschließend zugenäht und gegart.
In historischen Maßstäben sind Blut- und Leberwürste die Urgroßeltern unter den Würsten: Bereits die alten Griechen sollen Blutwurst gegessen haben, bevor sie in den Kampf zogen. Kein Wunder, dass sie bis heute auf bayerischen Schlachtplatten landen.
Die Blutwürste stechen durch ihre dunkelrote Farbe hervor. Sie bestehen meist aus Schweineschwarte sowie aus bis zu 40 Prozent Blut. Je nach Rezept werden Speck, Pökelfleisch, Milch oder Majoran beigemengt. Meistens wird sie mit frischer, ebenfalls warmer Leberwurst kombiniert.
Letztere ist außerdem als zarter Cousin als Streichwurst fürs Brot gefragt. Schweineleber macht dabei, je nach Rezept, zehn bis 35 Prozent der Wurstmasse aus. Vorsicht bei Kalbsleberwürsten: Anders als die Bezeichnung vermuten lässt, können sie Schwein enthalten.
Wenn die Wollwürste die missverstandenen Brüder der Weißwurst sind, dann sind die Stockwürste die verschollenen. Nur noch wenige Münchner Metzger auf dem Viktualienmarkt bieten sie an.
Zugegeben: Rein vom Namen her macht der Presssack nicht unbedingt Appetit. Dabei ist er eine Delikatesse der kalten Küche. Presssack besteht unter anderem aus magerem Schweinefleisch, gekochten Schwarten, Pfeffer, Kümmel und Brühe.
Anders als der Weiße Presssack enthält der Rote Presssack außerdem Schweineblut. Die in Därme gefüllte Masse muss für etwa anderthalb Stunden garen und dabei gewendet werden. Das Ergebnis wird in dicke Scheiben geschnitten – ideal, um sie aufs Brot zu legen oder mit Zwiebeln, Essig und Öl sauer anzumachen.
Der Presssack gilt daher als die klassische Brotzeitwurst. Und was den Namen angeht: Der bezeichnet die traditionelle Herstellungsweise. Um alle Bestandteile in der Masse gleichmäßig zu verteilen, wurde die Wurst früher nach dem Garen zwischen Holzplatten gepresst.
Eine Sonderrolle nimmt die Lyoner ein. Zwar landet sie manchmal scheibchenweise auf Broten. Ihren ganzen Geschmack entfaltet sie aber erst im Zusammenspiel mit anderen Zutaten: Nur die Lyoner macht aus dem Gemisch von Zwiebeln, Schnittlauch, Essig und Öl einen echten bayerischen Wurstsalat – ein klassisches Biergartengericht mit hohem Suchtfaktor.
Auch als Fleischwurst bekannt, besteht die Lyoner vorwiegend aus gepökeltem Schweinefleisch. Besonders ist, dass der Wurstmasse während der Herstellung Eis beigefügt wird. Um die charakteristische rosa Farbe zu erzielen, rührten die Metzger früher Safran unter.
Heute nutzen sie dafür sogenannte Umrötungsmittel. Dazu zählen Natrium- und Kaliumsalze, wie sie auch beim Pökeln Verwendung finden.