Dank einer Generation junger Sommeliers und engagierter Gastronomie ist die Hauptstadt des Bieres zum neuen Hot Spot für Weinfans geworden. Inzwischen kann man an der Isar wunderbar unaufgeregt die besten Weine der Welt entdecken. Wir stellen die spannendsten Adressen vor.
Die Mutter aller Münchner Weinbars und mit ihren 28 Jahren in jeder Hinsicht ein Klassiker. Betrieben wird sie von der Münchner Hoteliers- und Gastronomenfamilie Geisel, deren Vorfahrin Anna Geisel bereits in den 1920er-Jahren mit dem Pasinger Weinbauern eine der ersten Weinwirtschaften in der Bierstadt München etablierte.
Wer heute die Vinothek in der Fußgängerzone zwischen Karlsplatz-Stachus und Hauptbahnhof betritt und Restaurantleiter Robert Zeller dabei zusieht, wie er alten Bordeaux einschenkt oder an der roten Berkel-Aufschnittmaschine seinen San-Daniele-Schinken Scheibe für Scheibe mit größter Sorgfalt auf den Teller drapiert, merkt sofort, wie viel Wertschätzung dieser Maître der alten Schule seinen Schätzen und auch seinen Gästen entgegenbringt. Dieser entspannt sympathische Service ist einer der Hauptgründe, warum man sich hier sofort wohlfühlt. Die Vinothek selbst bietet unter ihrer Gewölbedecke knapp zehn Plätze direkt an der Bar, der Rest verteilt sich auf knapp ein Dutzend Tische über die holzgetäfelte, bayerisch-alpenländisch anmutende Stube – ein unkomplizierter Ort.
Auch für Reisende ist die Lage ideal: vor oder nach einer langen Zugfahrt hier vorbeizuschauen, auf ein Glas offenen Wein und ein kleines mediterranes Essen wie die ausgezeichnete hausgemachte Pasta. Die Weinkarte bietet in mehr als 700 Positionen alles Wesentliche von großen deutschen Rieslingen, den etablierten österreichischen Veltlinern der Wachau und Sauvignon blancs aus der Steiermark, über Bordeaux, Burgund und klassisches Italien aus dem Piemont und der Toskana. Besonders hier: Die Weine haben vielfach eine bemerkenswerte Jahrgangstiefe. Und: Beinahe täglich öffnet Robert Zeller eine besondere Magnum und andere ausgesuchte Weine, die er dann glasweise ausschenkt.
Tipp: Nach einem gereiften Bordeaux fragen und mit Freunden eine Flasche teilen. Für um die 100 Euro bekommt man hier über 20 Jahre alte, perfekt gelagerte Weine. Dazu einen Teller San-Daniele-Schinken.
Geisels Vinothek, Schützenstraße 11
Die ganze große Weinwelt, versammelt in einem Wohnzimmer mitten in der Münchner Innenstadt. In Wahrheit ist die Grapes Weinbar natürlich kein Wohnzimmer, sondern eben eine kleine Bar und ab 6.30 Uhr morgens auch noch der Frühstücksraum des Hotels Cortiina in der Ledererstraße, unweit des Hofbräuhauses. Aber irgendwie schaffen es die beiden österreichischen Sommeliers Stefan Grabler und Markus Hirschler Abend für Abend mit Charme, Schmäh und „gutem Stoff“, die dezent beleuchtete Sitzlandschaft in ein echtes Wohnzimmer für Weinfans zu verwandeln.
Die unglaublich schnell wachsende Auswahl – zurzeit sind es knapp 1300 verschiedene Weine, quer durch alle Stile, Reben und Regionen – zeigt die umtriebige Leidenschaft der beiden und ihr gutes Gespür für die spannendsten Weinstile und Weingüter der Gegenwart. Die Weine bieten von easy-drinking bis komplex alles, was das Herz begehrt; mit jeweils ganz eigenem Charakter und Finesse. Sei es ein Chardonnay von einem kleinen Weingut im Burgund, der schon in bezahlbarer Ortsweinqualität andeutet, was die Königsklasse des Weißweins alles kann.
Oder auch Orange-Weine, die naturnah ausgebaut sind. Das Grapes bietet auf jeden Fall Weine, die überraschen. So kann man hier auch getrost den immer noch weit verbreiteten Irrglauben begraben, dass allein knochentrockene Weine glücklich machen. Ein Kabinett, beispielsweise von Matthias Knebel aus einer Steillage der Terrassenmosel zeigt, wie gut Süße und Säure miteinander können.
Mit ihren monatlichen Winzerabenden holen Grabler und Hirschler regelmäßig auch ihre Lieblingsweinmacher in die Stadt. So kann man sich quer durch deren Œuvre trinken und entdecken, was jeweilige Handschrift auszeichnet. All das in überaus bequemen Sesseln, eben ganz so, wie es sich für ein wirkliches Wohnzimmer gehört.
Tipp: Die weiße Cuvée Trenzado aus Teneriffa eingeschenkt bekommen, die genial Schmelz, Mineralität und erdige Textur vereint – und in einem einzigen Schluck die ganze Insel erzählt.
Grapes Weinbar, Ledererstraße 8a
Das Tantris ist das spektakulärste Restaurant der Stadt. Nicht nur wegen der knallorangen Teppiche an der Decke und weil Worte wie: AFFENDURST, WEINSELIG und DIONYSISCH groß und weithin sichtbar in Gold über den Gästen strahlen; sondern auch und eigentlich allein schon wegen seiner Weinkarte.
Wie eine Chronik erzählt sie die Leidenschaft der Familie Eichbauer und ihrer Sommeliers seit beinahe fünf Jahrzehnten. Die Schätze im Schwabinger Keller verdankt das Haus seinem Gründer Fritz Eichbauer, der 1971 mit unglaublichen 35.000 Flaschen sein lukullisches Abenteuer startete. Von Beginn an pflegte er den persönlichen Kontakt zu den international besten Winzern und bis heute reisen die Tantris-Sommeliers um die Welt, um die spannendsten Weine von morgen zu entdecken.
Gerade erst, erzählt Chefsommelier Nicolas Spanier, habe er den Loire-Winzer Eric Morgat kennengelernt, nahe Angers, den er jetzt fürs Tantris exklusiv importiert. Wer einen ersten delikaten Einblick in diesen Weinkosmos bekommen möchte, dem empfiehlt er die Weinbegleitung zum Fünf-Gang-Menü. Für 125 Euro kann man fünf Weine kennenlernen, teilweise bis zu 20 Jahre gereift. Kein Schnäppchen, aber eine gute Investition in die eigene Trinkkultur, weil diese Weine wie wesentliche Wegmarken den eigenen Weinhorizont weiten. Und Insider wissen: Hier wird zum Glück großzügig nachgeschenkt.
Tipp: Geschäftsführer Felix Eichbauer, der Sohn des Gründers, betreibt gemeinsam mit seiner Frau Sabine seit drei Jahren selbst in der Toscana ein Weingut: Podere Salicutti, in Montalcino. Ihre drei Lagen Brunello Piaggione, Sorgente und Teatro sind einerseits kraftvoll und doch gleichzeitig finessenreich und elegant. Im Tantris sind sie immer wieder Teil der Weinbegleitung und werden gelegentlich auch glasweise ausgeschenkt.
Tantris, Johann-Fichte-Straße 7
Die Sommeliers des Restaurants Mural sind die Naturweinspezialisten der Stadt. Jetzt haben Wolfgang Hingerl und Maximilian Hildebrandt in der Maxvorstadt eine Bar eröffnet und zeigen, dass der Trend zu naturnahen, ungespritzten, unfiltrierten und ungeschwefelten Weinen längst auch München erreicht hat. Diese meist biodynamisch gemachten Weine bereichern die Weinszene, vor allem, wenn wie hier, fachkundig und feinsinnig ausgewählt, ihre besten Vertreter zu finden sind. In der Bar Mural wird diese neue Welt unaufgeregt vermittelt.
Dass Sommelier und Barkeeper Maximilian Hildebrandt nicht nur in der Theorie was von Wein versteht, merkt man, wenn er in einem ruhigen Moment von seinen Erfahrungen bei der Weinlese in Montalcino erzählt. Er weiß, wie wichtig es gerade für filigrane Weine ist, nur bestes Lesegut in die Presse und den Keller zu bringen. Man spürt dabei seine Leidenschaft für handwerklich gut gemachte Weine mit Charakter. Naturweine erzählen für ihn in ganz besonderer Weise ihre Herkunft, das sogenannte Terroir, also all die Einflüsse, wie Böden, Klima, ja letztlich sogar die Persönlichkeit des Winzers, die im Zusammenspiel gemeinsam den Wein prägen. Diese Idee spiegeln auch die vielen unkonventionellen Weine im Mural wider.
In den offenen Regalfächern hinter der Bar sind alle Flaschen als eine Art reale Weinkarte gut sichtbar präsentiert. Der lange puristische Kupfertresen, die Barhocker und die frei geführten Lüftungsrohre machen das Mural zu einer zeitgemäßen urbanen Bar, die am Wochenende mit ihrer guten Soundanlage bis in die Nacht (offiziell 1 Uhr, oft aber auch länger) zum Wein-Club wird.
Tipp: Ein guter Einstieg in die Welt der Naturweine ist der Ex Vero III (2012) vom Weingut Verlitsch aus der Magnum, der hier glasweise für 9 Euro eingeschenkt wird.
Bar Mural, Theresienstraße 1
Direkt am Odeonsplatz, gegenüber der Feldherrnhalle residieren seit 1950 die Pfälzer Weinstuben. Hier haben Generationen von Münchner Opern- und Theatergästen nach den Vorstellungen ihre Viertel Wein getrunken. Der Begriff Wein„stube“ ist eine Untertreibung sondergleichen: Bei den Räumen im barocken Teil der Residenz handelt es sich vielmehr um Säle. Insgesamt bieten die Stuben für 450 Gäste Platz. Der große Viersäulensaal im Erdgeschoss, direkt wenn man reinkommt, könnte von seinen Abmessungen her locker mit den großen Brasserien in Paris mithalten. Die Raumhöhe: knapp acht Meter. Und doch ist es die wahrscheinlich egalitärste Wein-Location der Stadt, hier gehen quer durch die Gesellschaft sozusagen alle ein und aus. Fast wie im Biergarten.
Der einfache Wein im Offenausschank wird nach Nummern bestellt. Nummer 5a beispielsweise ist ein geradliniger Riesling für 4,60 Euro das Viertel. Der Gewinner der goldenen Kammerpreismünze wird als „rassig“ und „durchgegoren“ beschrieben, was gewöhnungsbedürftiger klingt, als er dann tatsächlich schmeckt. Ein sehr anständiger Riesling. Übrigens: Über zu schlecht eingeschenkte Weine hat sich in den Pfälzer Weinstuben wohl noch nie jemand beschwert. Die einfachen Gläser haben zwar keinen Stil, sind aber bis an die Oberkante gefüllt.
Alle Weine kommen, wie es der Name erahnen lässt, aus der Pfalz. Der Landesverband der Pfälzer in Bayern unterhält die Stuben als Erinnerung an die historische Verbindung zwischen dem Bierland Bayern und der weinliebenden Pfalz. Die Flaschenweine auf der Karte werden vom Verband ausgewählt und regelmäßig variiert; oftmals sind es ausgezeichnete, aber noch unbekanntere Weingüter, die hier ihre Weine präsentieren. Letztlich sind alle sehr anständig und – wie es die Karte nennt – „artig“, und zwar in dem Sinn, dass „der Wein typische Eigenschaften seiner Rebsorte und Herkunft zeigt“. Vor allem aber ist es ein Urmünchner Erlebnis, an diesem geschichtsträchtigen Ort bei ein paar Schoppen den Abend ausklingen zu lassen.
Tipp: Der Flammkuchen hier passt perfekt zu jedem Wein. Wer kulinarisch mutiger ist, kann sich an immer wieder mal eigens importierte Pfälzer Spezialitäten wie einen Saumagen wagen.
Pfälzer Residenz Weinstube, Residenzstraße 1