Club, Hotel, Bar, Café – Steffen Werner ist eigentlich Architekt und Designer, noch bekannter ist er in München aber für die zahlreichen gastronomischen Projekte, die er in den vergangenen zwei Jahrzehnten mit seinen Geschäftspartnern Sascha Arnold und Niels Jäger umgesetzt hat. Das Besondere: Sie haben die Orte nicht nur konzipiert, viele werden von dem Trio auch betrieben. Ein Besuch an seinen Lieblingslocations.
Ein Mittwochmorgen, kurz nach neun. Im Club Bob Beaman (mittlerweile geschlossen) brennt normalerweise zu dieser Tageszeit noch kein Licht. Steffen Werner steht auf der leeren Tanzfläche und klatscht in die Hände. Er möchte die Geräuschsensoren der Lichtanlage testen, die vor Kurzem nachgerüstet wurden. Im Club ist es düster, die Wände sind mit dunklem, perforiertem Holz verkleidet. Der Blickfang ist die Lichtdecke, die aus milchig-weißem Plexiglas besteht, in allen erdenklichen Farben leuchten kann – und seit Neuestem eben auch auf Geräusche reagiert. Ein Mitarbeiter von Werner hat die Anlage eingeschaltet, die Decke leuchtet auf, pulsiert, wechselt die Farben, und es fühlt sich an, als würde man unter einem gigantischen Kaleidoskop stehen. Als der Club vor fast zehn Jahren eröffnete, wurde er quasi über Nacht in München zur Institution. Heute steht er beispielhaft für die Arbeitsweise von Werner und seinen Kollegen: ständig auf der Suche nach einer neuen Herausforderung und dem nächsten Trend dabei immer einen Schritt voraus.
Im Bob Beaman Club wurden schon viele legendäre Partys gefeiert, öfter auch mal bis in den späten Vormittag hinein. Wann waren Sie das letzte Mal um neun Uhr morgens hier?
(lacht) Für solche Dinge bin ich mittlerweile zu alt, aber natürlich schaue ich regelmäßig vorbei.
Mit Ihren Geschäftspartnern betreiben Sie neben diesem Club die James T. Hunt Bar und das Flushing-Meadows-Hotel. Zwischenzeitlich gab es sogar noch ein Café, ein Restaurant und einen Smoothieladen. Eigentlich sind Sie ja Architekt und Designer. Wie passt das zusammen?
Es war nie wirklich geplant, dass wir so viele Projekte in der Gastronomie machen, das hat sich eher so ergeben. Während des Studiums haben wir zusammen beim Gastronomen Rudi Kull an der Bar gearbeitet und regelmäßig eigene Veranstaltungen organisiert. Darauf folgte das ZKV, ein temporärer Club an der Maximilianstraße, und dann dauerte es nicht mehr lange, bis wir unseren ersten eigenen Laden, die Edmoses Bar, eröffnet haben. Als wir wussten, dass wir dort raus müssen, haben wir uns nach etwas Neuem umgesehen und sind auf diese Location hier gestoßen. Bei allen Projekten standen aber immer der Spaß sowie das Interesse am Thema im Vordergrund. Als Architekt ist es einfach sehr spannend, einen Club mit perfektem Sound- und Lichtsystem zu entwerfen oder sich die Gestaltung eines Hotels vorzunehmen. Die Läden haben wir aber immer nur neben unseren eigentlichen Berufen betrieben.
„Wenn man in den eigenen Laden gehen kann und dort seine Freunde trifft, macht das Leben in der Stadt mehr Spaß.“
Geht das denn so einfach, ohne Erfahrung aus der Praxis einen Club oder ein Hotel zu entwerfen?
Wenn man etwas zum ersten Mal macht, sind Überraschungen natürlich vorprogrammiert. Das ist manchmal anstrengend, es macht aber auch Spaß, weil man ständig dazulernt. Wir sind zum Beispiel davon ausgegangen, dass die Lichtdecke automatisch laufen würde, haben aber schon am ersten Abend gemerkt, dass das nicht funktioniert, und einen Lichtjockey engagiert. Anfangs war die Lichtanlage außerdem sehr anfällig und wartungsintensiv, der Bass hat das Material regelrecht zersetzt. Da mussten wir einiges anpassen. Das Gesamtkonzept kam aber sofort gut an. Der Club wurde sogar kopiert.
Es gibt ein zweites Bob Beaman?
Ja, in Südkorea. Da hat jemand einfach unseren Laden nachgebaut. Die Fotos aus dem Club sehen fast identisch aus, wären da nicht nur Koreaner auf der Tanzfläche zu sehen.
Werner sieht nicht aus, wie man sich einen Architekten mittleren Alters typischerweise vorstellt: Er trägt weder Hornbrille noch schwarzen Rollkragen, sondern eine blaue Bommelmütze, auf der in großen Lettern „Edmoses Bar“ steht. An seiner Schulter hängt ein grün-gelber Jutebeutel mit dem Logo von Arnold/Werner, seine Füße stecken in Sneakern. Auf dem Weg nach draußen beschreibt er begeistert die ungewöhnliche Bauweise des Gebäudes, in dem der Club untergebracht ist. Es wurde von Freiherr von Branca errichtet, der auch die Neue Pinakothek entworfen hat. Ein besonderes Umfeld für einen besonderen Club, da stimmt für Werner das Gesamtpaket. Genau wie bei unserem nächsten Stopp in einem Bürogebäude gleich auf der gegenüberliegenden Straßenseite des Oskar-von-Miller-Rings. Auch dieses Gebäude stammt von einem berühmten Architekten, dieses Mal ist es Richard Meier, und wieder beherbergt es ein Projekt von Werner und seinem Kollegen Sascha Arnold. Wir betreten ein lichtdurchflutetes Foyer mit einer mit Carrara-Marmor verkleideten Empfangstheke, darüber hängt eine gigantische Installation aus Hunderten Metallstäben.
Wo sind wir hier?
Die Lobby ist eins der jüngsten Projekte von uns. In der Stadt kennt man uns zwar vor allem für unsere gastronomischen Projekte, wir entwerfen aber auch Büros, Verkaufsräume, Wohnungen und Häuser. Hier im ehemaligen Siemens-Hauptverwaltungsgebäude wurden wir mit der Umgestaltung aller öffentlichen Bereiche beauftragt. In den Entwurf und die Umsetzung des Kronleuchters, den wir „Zabriskie Point“ getauft haben, ist unsere ganze berufliche Erfahrung eingeflossen.
„In der Stadt kennt man uns zwar vor allem für unsere gastronomischen Projekte, wir entwerfen aber auch Büros, Verkaufsräume, Wohnungen und Häuser.“
Zabriskie Point?
Nach dem Film von Michelangelo Antonioni, der wiederum eine Hommage an die Hippiebewegung der späten 60er-Jahre ist. Der Kronleuchter besteht aus 1200 Edelstahlstäben, die an der Spitze eine LED-Leuchte verbaut haben. Die LEDs können alle einzeln angesteuert werden, sodass eine Art dreidimensionale Projektionsfläche mit 1200 Lichtpunkten entsteht. Theoretisch könnte man den Empfangsbereich also auch richtig bunt leuchten lassen, das würde den Damen am Empfangstresen aber vermutlich weniger gut gefallen. Die Deckenkonstruktion wiegt insgesamt fast 15 Tonnen. Wahrscheinlich handelt es sich um einen der aufwendigsten Kronleuchter Europas.
Es fällt auf, dass Licht bei allen Projekten von Ihnen eine wichtige Rolle spielt. Woher kommt das?
Ich habe mich schon im Studium sehr viel damit beschäftigt, unter anderem deshalb, weil ich neben Architektur auch noch Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste studiert habe. Dort habe ich mit Lichtskulpturen experimentiert und die Freiheit, die man in der Kunst hat, sehr zu schätzen gelernt. Das wollte ich mir bewahren. Auch deshalb achten wir bei unseren Projekten sehr stark auf ein gutes Lichtkonzept. Letztendlich sind die Grenzen ja auch fließend: Den Kronleuchter könnte man auch als Skulptur bezeichnen.
Zurück auf der Straße schwingen wir uns auf die Fahrräder und fahren in Richtung Flushing-Meadows-Hotel. Steffen Werner ist mit seinem liebsten Transportmittel unterwegs: einem alten Faltrad von Di Blasi. Er sammelt die winzigen Räder, im Hotel stehen sie den Gästen zur Verfügung. In der Fraunhoferstraße angekommen, geht es hoch in den vierten Stock zur Rooftop Bar des Hotels. Auf dem Weg nach oben erzählt Werner, dass die kupfernen Innenwände des Aufzugs aus dem alten Tresen der Edmoses Bar bestehen. Eine Erinnerung an den Ort, an dem Werners Karriere als Gastronom begann. Die Aufzugtüren öffnen sich, wir betreten einen Raum, der sich mehr nach Wohnzimmer als nach Hotelbar anfühlt: Auf dem Boden liegt ein bunter Perserteppich, im Kamin knistert ein Feuer, die bodentiefen Fenster bieten eine fantastische Aussicht auf die Dächer Münchens. Auch hier spielt das Licht wieder eine zentrale Rolle: Die großen Fenster sorgen für die maximale Menge an natürlichem Licht, an der Decke sind Dutzende flache Lampen in Kupferoptik angebracht.
Wir befinden uns in einem Hotel – die Bar ist aber nicht nur bei Tourist*innen beliebt, auch Münchner*innen kommen hier außerordentlich gerne her. Woran liegt das?
Wir haben bei der Planung des Hotels sehr darauf geachtet, die Stadt miteinzubeziehen. Von den insgesamt 16 Hotelzimmern wurden elf von verschiedenen Münchner Persönlichkeiten gestaltet, zum Beispiel von Barbesitzer Charles Schumann oder Helmut Geier alias DJ Hell. Das hat von Anfang an dazu beigetragen, dass wir nicht nur als Hotel wahrgenommen wurden, sondern auch als Ort, an dem sich die Bewohner der Stadt gerne treffen. Das gelingt nicht vielen Hotelbars, deshalb freut uns das besonders.
Nach welchen Kriterien entscheiden Sie sich für ein neues Projekt?
Wir sind heute in der luxuriösen Lage, uns die Projekte aussuchen zu können. Deshalb machen wir nichts zweimal, sondern suchen uns lieber eine neue Herausforderung. Wenn in der Stadt zum Beispiel bisher etwas Vergleichbares gefehlt hat, entscheiden wir uns eher für ein Projekt. Aktuell planen wir das neue Dachterrassencafé im Deutschen Museum.
Viele Architekt*innen haben den Wunsch, mit ihren Bauwerken etwas Permanentes zu hinterlassen. Spielt das für Sie eine Rolle?
Ich sehe das relativ: Langfristig verschwindet alles irgendwann. Es ist schön, wenn die Sachen eine Weile bleiben, aber es ist nicht mein Anspruch, etwas für immer und ewig zu machen. Mir geht es vielmehr darum, das eigene Leben gut zu gestalten: Wenn man in den eigenen Laden gehen kann und dort seine Freunde trifft, macht das Leben in der Stadt mehr Spaß.
Werner entschuldigt sich, er muss weiter. Vorher aber klettert er noch kurz auf den Tresen: Er hat eine neue Glühbirne dabei und möchte ausprobieren, ob sie ein schöneres Licht macht als die bisherigen. Er tauscht sie aus, betrachtet das Ergebnis für einen Moment, dann reißt er sich los. Eine Mitarbeiterbesprechung steht an, das Frühstücksbuffet soll optimiert werden. War es vor einem Moment noch umgekehrt, ist der Architekt jetzt wieder Gastronom.