Second Hand, lokales Label, Traditionskaufhaus und Ausleihservice – wir haben uns einmal durch die Trachtenauswahl in München probiert.
- Dress to impress
- Vintage-Tracht im Lederhosenwahnsinn
- Holareidulijö: Gebrauchte Dirndl neu designt
- Hochwertige Tracht bei dem jungen Münchner Label Gottseidank
- Dirndl und Lederhosen für einen Tag ausleihen bei Bavarian Outfitters
- Traditionelle Tracht im weltweit größten Männermodehaus Hirmer
Bayerische Trachten sind auf der ganzen Welt beliebt – selbst H&M hat im Herbst 2019 eine Oktoberfest-Kollektion herausgebracht. Man trägt sie in München nicht nur zur Wiesn, sondern auch auf dem Frühlingsfest, der Auer Dult und dem Kocherlball im Englischen Garten. Es wird in Tracht geheiratet, gebiergartelt und gefeiert. Das Dirndl und die Lederhosen gehören einfach zu Bayern wie die Brezen und die Maß Bier. Dementsprechend groß ist die Auswahl, die man beim Trachtenkaufen hat. Vom hochwertigen Dirndl der kleinen Münchner Manufaktur bis hin zur 80 Jahre alten Vintage-Lederhosen – wir haben uns einmal durchprobiert.
Herbert Lipah vom Lederhosenwahnsinn ist ein echtes Münchner Original, mit alten Lederhosen handelt er schon fast vierzig Jahre lang. Früher war er Standlbesitzer auf der Auer Dult und das sieht man seinem gemütlichen Laden in der Borstei auch an, der eher einer Schatztruhe gleicht. Hier gibt es so viel zu entdecken, dass man auch nach zwei Stunden längst nicht alles gesehen und gehört hat. Herbert bietet einem ein Bier an und man bleibt gerne sitzen und lauscht seinen verrückten Geschichten.
Ein paar Raritäten lassen sich hier immer entdecken, denn mit rund 650 Exemplaren hat Herbert die wohl größte Lederhosen-Sammlung. Das älteste Modell stammt aus dem Jahr 1866 und ist natürlich unverkäuflich. Sein Fundus besteht größtenteils aus Vintage-Lederhosen, die er von Freunden, Bekannten und Fremden geschenkt oder verkauft bekommen hat. Darunter ist auch die Lederhose von Schriftsteller Oskar Maria Graf und eine der Adelsfamilie Wittelsbacher – aus geschmeidigem Gamsleder, Gewicht: nur 320 Gramm.
Wir lernen bei Herbert, dass Lederhosen je nach Preiskategorie aus Kuh-, Ziegen-, Gams- oder Hirschleder hergestellt werden, letzteres ist am teuersten. Die beste Pflege für eine Lederhosen? „Das eigene Körperfett und die -feuchtigkeit.“ In die Reinigung sollte man sie nur geben, wenn es unbedingt sein muss – und dann muss ein Profi ran. Vom neuen Trend, die Lederhosen eher enger und an den Hüften zu tragen, hält Herbert nicht viel: „Eine Hose muss man griabig anziehen, sie darf nicht anliegen. Das Einzige, was man spüren sollte, sind die Hosenträger. Man wohnt in seiner Lederhosen!“
Herbert kennt sich so gut aus, er kann auf dem Oktoberfest jede Tracht der Region zuordnen: „Grüne Bänder und Stickereien auf der Lederhosen stehen für's Werdenfelser Land, je gelber es wird, desto eher geht's in die Richtung Tegernsee.“ Ungebrauchte Einstiegsmodelle gibt es im Lederhosenwahnsinn teilweise schon ab 250 Euro, besondere Raritäten können aber auch mehrere tausend Euro kosten.
Bitte nicht aufjodeln – weniger ist immer mehr!
Wer mehr über Vintage-Dirndl erfahren möchte, ist dagegen bei Michaela Klein vom Holareidulijö richtig. Die gelernte Säcklerin betreibt ihren Laden in der Maxvorstadt seit fast 30 Jahren. Ähnlich wie im Lederhosenwahnsinn hängen hier hunderte von Lederhosen, Dirndln, Accessoires und Raritäten. Das Besondere: Die Second-Hand-Tracht wird nicht nur verkauft, sondern von der Betreiberin auch selbst restauriert. Gebrauchte Dirndlblusen findet man schon ab zehn Euro, Vintage-Dirndl kosten zwischen 30 und 300 Euro. Bei besonders raren Stücken wie einer alten Lederhosen mit zweifarbigen Stickereien kopiert Michaela die Originale und macht sie in einer günstigeren Version nach, damit sie sich jeder leisten kann.
Holareidulijö ist gleichzeitig auch ein Label, das aus gebrauchten Dirndln neue designt. Michaela hat lange Zeit selbst nur Lederhosen getragen, heute sind es vor allem 50er-Jahre-Dirndl aus dem Salzburger Land, die ihr Herz höher schlagen lassen – immer war es aber Vintage-Tracht: „Ich finde, alte Tracht hat viel mehr Ausstrahlung und die Stoffe sind meist auch besonderer. Zudem weiß ich, wenn ich sowas trage: Das gibt's nur einmal!“ Ihre Tipps zum Trachtenkauf: Niemals Polyester, man möchte wenn dann nur in Baumwolle schwitzen. Umso schlichter, desto besser und bitte kein kariertes Hemd! Lieber zu weißer Farbe oder gestreiftem Muster greifen, das ist zeitloser.
Tracht muss seit 2010 nicht mehr altbacken sein: Seit Jörg Hittenkofer sein Label Gottseidank gegründet hat, reißen sich Einheimische und Gäste um die klassischen und modischen Dirndl und Lederhosen, die so schön sind, dass man sie am liebsten immer tragen würde. Kann man zum Glück auch, denn das Label macht zudem Alltagskleidung.
Wer den lichtdurchfluteten Laden in der Schleißheimerstraße betritt, der eher an ein hippes Atelier erinnert, möchte die Dirndl, Strickjacken und Wollhosen sofort anfassen und anprobieren. Den größten Wert legt Gottseidank auf die Materialien – die kommen teilweise aus der Region wie vom Chiemsee, aber auch aus Italien. Der Strick wird in Deutschland produziert, die Garne kommen dagegen aus Österreich. Hauptsache die Qualität stimmt und das spürt man – vom Büffelhorn-Knopf bis zur handgestiftelten Schürze.
Ich kann entscheiden, was schön ist und was nicht – in meiner kleinen Welt.
Die Musterteile werden dann entweder in der eigenen Musternäherei in Milbertshofen, direkt neben dem Laden, oder im Bayerischen Wald gefertigt. Das Label lässt seine Dirndl in Ungarn und Polen produzieren, die Lederhosen sind deutsche Säcklerarbeit aus dem Bayerischen Wald. Der Einstiegspreis für das Dirndl: 549 Euro, aber dafür bekommt man auch etwas, das lange hält und das man sehr gerne trägt. Die Vision, die Jörg mit Gottseidank hatte: Die Tracht weiterentwickeln, aber sie authentisch lassen, gar zurückführen auf ihren Ursprung – weg von neumodischer Massenproduktion hin zu hochwertiger, traditioneller Kleidung. Und das ist ihm wirklich gelungen.
Die wohl nachhaltigste Möglichkeit für alle, die eine Tracht für einen Tag brauchen: Bavarian Outfitters. Bei dem Münchner Ausleihservice kann man schon seit acht Jahren Dirndl und Lederhosen zum kleinen Preis ausleihen. Das Lederhosen-Set mit Hemd und Socken gibt es für 49,90 Euro, ein Dirndl für 42,90 Euro. Rückgabe ist am nächsten Tag bis zehn Uhr, wer verlängern möchte, zahlt am zweiten Ausleihtag noch einmal die Hälfte des Preises. Die Kaution von hundert Euro deckt auch ab, wenn die Tracht nicht mehr im Topzustand zurückkommt. Doch meistens sind es Firmen, die hier für Events ausleihen und auf die Kleidung gut aufpassen.
Das ganze Jahr über kann hier online und zur Oktoberfest-Zeit auch offline ausgeliehen werden. In den Wiesn-Wochen wartet nämlich täglich, auch sonntags, ein kleiner Laden in der Auenstraße auf die Kunden – mit Theke, Umkleiden und rund 1200 Outfits im Lager. Bei den Dirndln kann man sich zwischen rund 20 verschiedenen Styles entscheiden, auf Männer warten zehn Lederhosen-Modelle kombiniert mit Hemden in mehreren Farben und Mustern. Die Lederhose wirkt hochwertig und ist angenehm zu tragen, das Dirndl ist aus reiner Baumwolle im Standard-Schnitt. Wer solide Tracht für einen einzigen Wiesn-Besuch braucht, ist hier goldrichtig. Und zudem ist es auch noch günstiger, sich hier gute Tracht auszuleihen, als sie sich in billiger Qualität zu kaufen und für immer im Schrank hängen zu haben. Lederhosen ausleihen kann man übrigens auch bei Wolfgang Zeilinger in der Amalienstraße, Frauen werden bei Dresscoded – Abendkleider & Dirndl-Verleih fündig.
Die Anlaufstelle Nummer eins beim Trachtenkauf sind oft Traditionskaufhäuser wie Hirmer. Obwohl sich das Modehaus komplett auf Männer spezialisiert hat, gibt es in der Trachtenabteilung ausnahmsweise auch ein paar Dirndl. Wer eine größere Dirndl-Auswahl sucht, ist beim Lodenfrey gut aufgehoben. Neben bekannten Lederhosen-Marken wie Meindl hängen hier auch junge Trachten-Labels wie Amsel und Gottseidank. Die Auswahl ist vielfältig, die Abteilung so groß, dass man locker einen Nachmittag hier verbringen kann. Hirmer ist nicht umsonst das größte Kaufhaus für Männermode weltweit.
Der Preis für günstige Lederhosen beginnt bei 299 Euro, man kann aber auch investieren. Und der Preis macht eben auch den Unterschied, vor allem bei den Lederhosen: Meindl gärbt und färbt nur nach europäischen Bedingungen – das bedeutet, der Gärbprozess in Salzburg dauert ein Jahr, die Farbe wird mit der Hand aufgebürstet. Außerdem verwendet die Marke nur Ziegen- oder Hirschleder in der Produktion. „Hirschleder wird jedoch knapp, deshalb ist es gerade so teuer“, erklärt uns Agnes Mayr, die schon 15 Jahre beim Hirmer arbeitet und mittlerweile die Landlust-Abteilung leitet.
Alles, was es im Laden zu kaufen gibt, trägt kein Trachtenverein. Die haben eigene Schneider.
Frau Mayr hat eine Handvoll guter Tipps für den Trachtenkauf. Ein absolutes No-Go für sie sind Halstücher („Trägt man mittlerweile einfach nicht mehr!“) und heruntergeschobene Strümpfe („Zieht die Strümpfe hoch!“). Haferlschuhe unbedingt nur zur Lederhosen tragen, niemals zur Jeans. Und wer Sneakers zur Tracht anziehen möchte, soll das tun, aber auf keinen Fall mit Trachtenstrümpfen. „Wenn man nicht viel Geld ausgeben mag, dann empfehle ich, einfach nur eine schöne Weste, einen Janker oder eine gute Strickjacke zu kaufen, die man immer mal tragen kann. Für einen einzigen Wiesnbesuch braucht man kein komplettes Outfit!“, rät sie. Hier muss keiner überladen rausgehen und sich wie im Trachtenfasching fühlen. Das Unbezahlbare bei Modehäusern wie Hirmer ist also auf jeden Fall die Beratung.