Bunt, traditionell, vielfältig – das sind die Münchner Stadtviertel. Unser Podcast „Auf eine Runde mit ...“ bietet ganz persönliche Einblicke durch die Linsen der Menschen, die hier leben und ihre Viertel am besten kennen. Diesmal: die Schauspielerin und Sängerin Maria Maschenka zeigt uns ihr Untergiesing.
Untergiesings Architektur ist bis heute geprägt von ehemaligen Arbeiterherbergen, die im 19. Jahrhundert entstanden sind. Gleichzeitig verzaubert das entspannte Viertel, das zusammen mit Obergiesing den gesamten Stadtteil Giesing ausmacht: Die romantische Mondstraße wirkt wie aus der Zeit gefallen, das Rauschen des Auer Mühlbachs begleitet beim Spaziergang. Zwischen Sanierungen und Neubauten werden Freiflächen kreativ umgestaltet und für ein friedliches Zusammenleben genutzt – denn das ehemalige Arbeiterquartier entwickelt sich bereits seit Jahren zu einem sehr beliebten Wohnviertel. Maria Maschenka, Schauspielerin, Sängerin und Kabarettistin, kann das bestätigen, denn: Sie ist kein Stadtmensch. Und fühlt sich trotzdem, oder vielleicht genau deshalb, pudelwohl in Untergiesing.
Frau Maschenka, eigentlich wollen Sie zurück aufs Land ziehen, leben nun allerdings seit 19 Jahren in Untergiesing. Wie kommt das?
Genau. Seitdem ich in München wohne, will ich eigentlich weg. Weil ich auf dem Land aufgewachsen bin und die Stadt mir grundsätzlich zu voll und zu laut ist. Ich bin immer am liebsten draußen, wo es still ist.
Und Untergiesing ist nun ein Kompromiss?
Ja, weil ich ganz schnell in den Isarauen bin. Und auch mag ich den Auer Mühlbach, an dem wir hier stehen. In Untergiesing ist sehr viel Grün.
Jetzt sind wir ganz frech reingestartet, ohne dass ich Sie vorgestellt habe. Sie sind Schauspielerin, Sängerin, Kabarettistin – das geht alles ineinander über. Können Sie sagen, was davon als Erstes da war?
Bevor ich zur Schule gegangen bin, war ich im Kinderchor. Ich habe tatsächlich schon immer unterhalten. Improvisation und Poesie kamen ebenfalls früh dazu. In meinem aktuellen Programm „Lügen, Lyrik und poetische Wahrheiten“ präsentiere ich meine Texte nicht nur, sondern performe sie auch, was von einer Pianistin untermalt wird. Das ist unterhaltsam und ernst, strukturiert und frei. Poesie, Lyrik, Gesang – das alles war als Erstes da.
Ein Kollege aus der Redaktion würde gerne wissen, ob Sie den Ruf, dass das Münchner Publikum bei Konzerten nicht besonders euphorisch sei, bestätigen können?
Es gibt ja die Theorie, dass Stadtpublikum übersättigt ist, und das ist wirklich so. Daneben wird auch manchmal von der Münchner Arroganz gesprochen. Aber ich habe auch Veranstaltungen erlebt, bei denen gejubelt und getobt wurde. Je beschwingter, offener und freier ich auf der Bühne bin, desto euphorischer ist das Publikum. Schenkelklopfer funktionieren übrigens immer. Rollenklischees auch.
Beim Impro-Theater passiert ja viel auf Knopfdruck: Witzig sein, kreativ sein, alles wird schnell umgesetzt. Wie funktioniert das?
Erstmal muss ich etwas zurücknehmen: Impro heißt nicht gleich, dass es witzig ist. Viele glauben, Improtheater muss immer Klamauk sein, aber das ist nicht mein Anspruch. Bei „Improschmaus im Hofspielhaus“ suche ich mir oft Partnerinnen und Partner aus, die nichts wollen – das ist wichtig. Es gibt zwar Regeln – alles annehmen, wertfrei und zensurfrei – aber wer mir den Pass zuspielt und wie schnell ich reagiere, das weiß ich alles nicht. Wenn ich das alles kombiniere mit Teamwork, kann es mich überall hin tragen. Und wenn ich Lieder und Gedichte improvisiere, fallen die Worte einfach in mich hinein. Indem ich aufmache, entsteht etwas.
Heißt das, solange man diese Regeln befolgt, ist der Rest erlaubt?
Das ist der Schutz der Bühne. Es ist immer alles erlaubt. Vom Opfer zum Täter, ich darf alles sein. Natürlich kann ich entscheiden, ein Angebot auf der Bühne nicht anzuehmen, dann mache ich aber ein Neues. Sonst kommt man nicht weiter und das Spiel wird uninteressant.
Wir machen nun einen Spaziergang durch Untergiesing. Können Sie uns die Route und was uns erwartet, etwas skizzieren?
Es gibt viele Projekte, bei denen es darum geht, Untergiesing besser zu gestalten. Ein ehemaliger Busbahnhof bei der Eisenbahnbrücke wird immer wieder neu gestaltet durch Künstlerinnen und Künstler, am Bahndamm steht eine Jurte, das ist so eine Art Kulturecke und gleichzeitig ein Familientreff. Und natürlich erwähnt werden muss das Hexnhäusl (Gans Woanders), da gibt es fast jeden Tag Livemusik, es ist eine der originellsten Lokalitäten der Stadt.
Wie ein magisches Baumhaus für Erwachsene.
Ja! Es besteht fast ausschließlich aus Holz, ganz verwinkelt gebaut und immer wieder kann man eine überraschende Ecke entdecken. Im Winter gibt es beheizbare Öfen und man kann mit Holzscheiten selbst nachlegen. Die Klientel ist total unterschiedlich und es gibt eine vegane Pizza sowie sehr gute, selbstgemachte Pommes. Ich geh immer rein und wieder verzaubert raus.
Und natürlich schauen wir uns das alte Untergiesing mit den kleinen Häuschen an sowie den Hans-Mielich-Platz. Davor machen wir aber ein Päuschen am Entenweiher, der ist nämlich sowohl im Sommer als auch im Winter spannend.
Der Spaziergang durch Untergiesing entschleunigt. In der Unteren Weidenstraße steht im Erdgeschoss eines Hauses ein Fenster offen, die Künstlerin schaut hinein, da wird gekocht, also bestellt sie auf ihre charmant-freche Art eine Portion Pommes. Die Anwohner*innen lachen, plötzlich stellt sich heraus: Es sind Freund*innen unseres Fotografens Frank, der mich wie immer begleitet. Wir unterhalten uns ein bisschen, dann geht es weiter, am Rosengarten vorbei, wo eine Gruppe zusammen Yoga macht. Am Entenweiher sehen wir, dass es Nachwuchs bei den Schwänen gab, die Menschen sitzen auf den Bänken und lesen oder gucken einfach aufs Wasser. Endstation: der beliebte Hans-Mielich-Platz, der um diese Tageszeit von einem goldenen Abendlicht überzogen wird.
Wen würden Sie denn nach Untergiesing schicken?
Prinzipiell sollten sich alle Menschen alles anschauen – nur nicht zur gleichen Zeit. Etwas Schönes sollten alle Menschen erleben.
Inwiefern unterscheidet sich Untergiesing von Obergiesing?
Der erste Unterschied ist, dass man das Zickzackbergerl hochgehen muss, dann ist man in Obergiesing. An der Tegernseer Landstraße gibt es alle Geschäfte, hier unten ist mehr Handwerk. Wenn man entspannt durch die Straßen gehen möchte, dann gehe ich eher durch Untergiesing. Oben ist es wilder, lauter und mehr Verkehr.
Jetzt sitzen wir am Hans-Mielich-Platz, hier gibt es einen tollen Griechen und eine Weinhandlung. Sprechen wir doch mal über die Kulinark im Viertel.
Genau, die Taverna Likavitos, hier sitzen die Menschen, sobald die Sonne den Platz bescheint. Die Terrasse ist voll besetzt bis zur Sperrstunde. Außerdem befindet sich hier eine sehr gute Eisdiele.
Jetzt machen wir ein paar Schnellschussfragen, los geht's. Biergarten oder Bar?
Biergarten.
Bühne oder Kamera?
Bühne!
Improvisation oder Skript?
Beides!
Warum?
Bei Impro bin ich meine eigene Regisseurin, Dramaturgin, Autorin. Beim Skript werde ich geführt und kann an einer Rolle arbeiten, weshalb ich viel Zeit habe, in den Charakter einzutauchen. Dadurch bringe ich auch nicht nur mein Eigenes mit ein. Beides hat seine Qualität und Daseinsberechtigung. Theater ist wie Tauchen, Impro ist eher Schnorcheln.
Butterbrezn oder Leberkassemmel?
Butterbrezn! Ich esse kaum Fleisch, aber so einmal im Jahr darf's eine Leberkassemmel sein!
Tag oder Nacht?
Ich liebe den Morgen und die Nacht ab 22 Uhr. In der Stille hört man so viel, dann fühle ich mich kreativ und inspiriert.
Als Zuschauerin: Oper oder Kleinkunstbühne?
Operette! In der Oper sterben immer alle. Es gibt um Liebe, Hass, Neid, Eifersucht. Operette hat so eine wunderbare Leichtigkeit und bei den Liedern kann ich mitsingen. Bei der Kleinkunstbühne ist es die Unmittelbarkeit, die ich toll finde.
München oder der Rest der Welt?
Der Rest der Welt! Ich finde, man sollte sich nie auf einen einzigen Ort konzentrieren. Die Welt ist überall und ich reise einfach sehr gerne.
Untergiesing in drei Worten?
Persönlich, vielschichtig und grün. Das waren vier Worte.
Nehmen wir raus. Herzlichen Danke für die Zeit!