In der Tegernseer Landstraße treffen Altgiesinger auf Zugezogene, Fußballfans auf Foodies. Die Straße in Obergiesing ist vielleicht nicht bekannt für ihre Architektur oder Schönheit, allerdings für die Menschen, die das Beste aus der „TeLa" machen.
Wenn die Einheimischen über Giesing sprechen, fallen oft die Schlagworte Bier und Fußball – zwei Klischees, die sich im Viertel auf jeden Fall bestätigen, wenn man danach sucht. Aber auch abseits davon gibt es jede Menge zu entdecken: Man kann im Sternelokal zu Abend essen und danach im alternativen Biergarten Spezi trinken. Man kann über den ruhigen Ostfriedhof schlendern und im hippen Fahrradladen nach Unikaten suchen. Man kann zum Outdoor-Yoga und danach italienische Fleischbällchen schlemmen.
Die TeLa wirkt echt und authentisch – alles hängt irgendwie zusammen wie ein Netz aus Kontakten und Geschichten.
Die Tegernseer Landstraße ist wahrscheinlich deswegen so spannend, weil sie organisch gewachsen ist: Alles wirkt echt und authentisch. Und dieser Eindruck bestätigt sich, sobald man merkt, dass alles irgendwie zusammenhängt – wie ein Netz aus Kontakten und Geschichten. Die belebte Straße in Obergiesing funktioniert wie ein kleiner, eigener Kosmos, in dem man alles findet, was man braucht: gute Kneipen, gute Restaurants, gute Geschäfte und vor allem gute Menschen. Und ohne die wäre Giesings beliebteste Straße ganz sicher nicht so bunt, laut und wild, wie sie es ist.
Wir beginnen unsere Reise beim Giesinger Grünspitz – ein wichtiger und integrativer Ort in München. Hier finden Tangostunden und Konzerte statt. Gemeinschaftsgärten werden bepflanzt oder man trifft sich abends im Biergarten. Auch das Kunstprojekt „Zeitkapsel“ von Miriam Worek steht am Grünspitz. Die Giesingerin wohnt seit 2013 gleich neben der Tegernseer Landstraße und kennt zahlreiche Projekte und Menschen aus dem Viertel. In einer ausrangierten und ausgebauten Telefonzelle gibt sie Zeitzeug*innen, Nachbar*innen und Künstler*innen eine Plattform, bringt alle zusammen, konserviert deren Projekte.
Im Moment geht es um Giesings Zukunft – vom selbstprogrammierten Computerspiel bis zur utopischen Werbung über das künftige Wohnen im Viertel. Die Zeitkapsel steht noch bis Ende September 2021, geöffnet täglich von morgens bis abends. Miriam erzählt: „Die Zeitkapsel entstand aus der Liebe zum Viertel und speziell zur TeLa. Für mich ist die Straße einfach nach Hause kommen – ich kaufe meinen Käse in der Käse Alm, kenne den Verkäufer vom Getränkeladen. Wenn man offen ist, knüpft man hier schnell Kontakte. Eigentlich wie auf dem Dorf!“
„Für mich ist die Straße nach Hause kommen – ich kaufe meinen Käse in der Käse Alm, kenne den Verkäufer vom Getränkeladen. Wenn man offen ist, knüpft man hier schnell Kontakte.“
Miriam liegt viel daran, den lokalen Handel zu unterstützen, deshalb trifft man sie in der Giesinger Buchhandlung (Tegernseer Landstraße 21) oder im Obstladen Ertl (Tegernseer Landstraße 111). Ruhe findet sie am Ostfriedhof, denn dort ist nie viel los, selbst an schönen Sommertagen. Wer dagegen Lust auf Menschen hat, dem empfiehlt Miriam den Biergarten vom Café Schau ma moi. Wir spazieren gleich einmal in die kleine Kneipe nebenan. Heute arbeitet Stevie hinter der Bar, erzählt sie uns – auch er hat einen Beitrag zur Zeitkapsel erstellt: „Die Kapsel bringt das Viertel und die Straße einfach zusammen, das finde ich toll!“
Auf dem Weg zum Café Schau ma moi kommen wir zuerst noch an einer anderen Gastroperle Giesings vorbei: dem Restaurant Gabelspiel. Seit 2016 beehren der Koch Florian Berger und seine Frau Sabrina das Viertel. Die beiden haben davor im Tantris gearbeitet und sich dort kennengelernt, nun zaubern sie in ihrem eigenen, wunderbaren Lokal fantastische Menüs – mittlerweile auch mit wohlverdientem Stern vom Guide Michelin. Das Gabelspiel beweist: Sterneküche muss nichts mit Chi Chi zu tun haben. Das Essen ist sehr besonders, die Atmosphäre trotzdem immer gemütlich, beinahe familiär.
Früher war das Schau ma moi noch ein Trambahnhäusl, heute finden hier Lesungen und Konzerte statt.
Eben, weil das Lokal nicht abgehoben ist, fügt es sich so gut in die Tegernseer Landstraße ein – zwischen Grünspitz und Schau ma moi. Die Café-Bar ein paar Schritte weiter wurde 1997 von Betreiberin Gabi Benkert eröffnet und ist sich seither treu geblieben: Tagsüber gibt es leckeren Kaffee, wechselnde Gerichte und die aktuelle Tageszeitung. Abends trifft man sich im urigen Biergarten mit Freunden zwischen Lichterketten und Giesinger Bier. Früher war das Schau ma moi übrigens noch ein Trambahnhäusl, heute finden hier Lesungen und Konzerte statt.
Auch im Ambar Bistro (Tegernseer Landstraße 25) kommt das Viertel wunderbar zusammen. Der gebürtige Italiener Gianluca Massa begrüßt seine Gäste mit einem breiten Lächeln und einem bayerischen „Grias Di!“ – und eben diesen Mix findet man auch in seinem Laden: Craft Beer aus München zu Fleischbällchen aus Neapel. Es gibt aber auch fantastische Weine und hausgemachte Pasta. Wir bestellen fast die komplette Karte, weil alles toll klingt: frittierte Makrelenfilets, Miesmuscheln, Pasta mit Salsiccia und gelben Tomaten. Zum Nachtisch gibt es Tartufo-Eis und Babà, einen in Rum und Zuckersirup getränkten Kuchen aus süßem Hefeteig.
„Die TeLa ist einmalig, sie ist nicht wie München. Eigentlich hat sie mit der restlichen Stadt nichts zu tun, denn hier ist es wirklich bunt, laut und dreckig.“
Gianluca betreibt das Ambar Bistro seit 2015, er wohnt selbst auch in Obergiesing – daher kennt er das Viertel und die Tegernseer Landstraße gut. „Es ist grandios, man trifft ganz Giesing hier!“, erzählt er begeistert, „die Straße ist wie das Viertel selbst – voller Gegensätze, schön und tough zugleich. Die TeLa ist einmalig, sie ist nicht wie München. Eigentlich hat sie mit der restlichen Stadt nichts zu tun, denn hier ist es wirklich bunt, laut und dreckig.“ Wenn man Gianluca fragt, ist die Tegernseer Landstraße ganz klar die schönste Straße Münchens!
Unter der Woche steht der Gastronom natürlich oft in seinem eigenen Laden, am Wochenende trifft man ihn dann mit großer Wahrscheinlich bei einem Fußballspiel im Grünwalder Stadion. Gianluca ist wie so viele Giesinger Fan vom TSV 1860 München. Vor und nach den Spielen trinkt man zusammen noch ein Bier im Grünspitz oder im Riffraff. Zu essen empfiehlt er uns das vietnamesische Bep Ho (Tegernseer Landstraße 44) und die Pizzeria Morelli (Wirtstraße 15A) eine Straße weiter – laut Gianluca die beste Pizza in Giesing.
Es ist nicht die Architektur, die die belebte und beliebte Straße in Obergiesing ausmacht – oder die unfassbare Schönheit. Es sind ganz einfach die Menschen und das, was sie aus der Straße machen.
Nach unserem Abendessen gehen wir noch einmal zurück in den Biergarten vom Schau ma moi und lassen den Tag Revue passieren: Das Schöne an der TeLa ist, dass man sich ganz gemütlich von einem Ort zum anderen hangeln kann und sehr wahrscheinlich immer wieder die selben Menschen trifft. Es ist nicht die Architektur, die die belebte und beliebte Straße in Obergiesing ausmacht – oder die unfassbare Schönheit. Es sind ganz einfach die Menschen und das, was sie aus der Straße machen. In der TeLa gilt einmal mehr: Es ist ganz egal, wo du bist – Hauptsache, du bist dort mit den richtigen Leuten.