In München eröffnen immer mehr kleine Kaffeeröstereien – dahinter steckt der Trend „Third Wave Coffee”. Wir haben den Betreiber von Fausto in Giesing besucht und ihm beim Rösten über die Schulter geschaut.
Es gibt wahrscheinlich keinen Arbeitsplatz, an dem es so gut riecht, denke ich mir, als ich an diesem sonnigen Frühlingsmorgen die Kaffeerösterei Fausto in Giesing betrete. Denn ich begleite den Gründer, Geschäftsführer und Röster Klaus Wildmoser heute bei seiner Arbeit. Fausto gibt es schon seit 15 Jahren, seitdem rösten Wildmoser und sein Schwager selbst. Und das, obwohl Fausto mittlerweile auf 200 Kilo Kaffee pro Stunde kommt – ganze 300 Tonnen im Jahr. „Von all den kleinen, unabhänigen Kaffeeröstereien in München sind wir wahrscheinlich die größte”, verrät er.
In München gibt es mittlerweile um die 25 Röstereien – manche von ihnen haben auch eigene Cafés wie der VogelMaier, Man versus Machine oder eben Fausto. Kaffeerösten ist in den letzten Jahren mehr und mehr zum Trend geworden, an jeder Ecke eröffnen Cafés, die entweder selber rösten oder ausschließlich Kaffee von kleinen Röstereien ausschenken, gerne in Verbindung mit besonderen Aufbrühmethoden. Diesen Trend nennt man Speciality Coffee oder auch Third Wave, weil wir uns laut dieser Namensgebung in der „dritten Kaffeewelle” befinden, in der es vor allem darum geht, die Herkunft der Bohne zu kennen und sie sorgfältig zuzubereiten.
Wildmoser erklärt mir: „In der ersten Welle vor dem Krieg gab es sogar noch den Ausbildungsberuf Kaffeeröster – jeder Kolonialwarenhändler röstete selbst und verkaufte seinen Kaffee im kleinen Dorfladen. Mit dem Zweiten Weltkrieg wurde nicht nur das Produkt aus Übersee rar, sondern auch die Maschinen, die man lieber einschmolz, um daraus Waffen zu fertigen. Die Fernsehwerbung begründete die zweite Welle in den 50er- und 60er-Jahren: Plötzlich waren Markenprodukte wichtig, man wollte seinem Besuch nur noch Melitta- oder Jacobs-Kaffee servieren.”
Die Industriebohne soll bis heute vor allem günstig sein und immer gleich schmecken – deshalb wird sie im Gegensatz zum Third Wave Coffee nur zwei bis vier Minuten geröstet. Bei Fausto und anderen Kaffeeröstereien dauert der Röstvorgang dagegen 15 bis 20 Minuten. Aber auch die Frische sei enorm wichtig für den Geschmack, erfahre ich von Klaus Wildmoser: „Vom industriellen Rösten bis zum Supermarktregal vergehen Monate. Unsere Kaffees im Laden sind maximal zehn Tage alt. Wenn wir die Röstmaschinen also heute ausschalten, haben wir schon in wenigen Tagen keinen Kaffee mehr – das unterscheidet uns von den großen Röstereien.“
„Vom industriellen Rösten bis zum Supermarktregal vergehen Monate. Unsere Kaffees im Laden sind maximal zehn Tage alt.“
Außerdem darf der Kaffee der Third-Wave-Bewegung auch einmal vom Geschmack abweichen, so wie jede Ernte eben ein bisschen anders ist. Wildmoser mischt deshalb den Kaffee vom Vorjahr zur Hälfte mit dem neuen, damit keine harten Übergänge entstehen. Es gibt aber auch Röstereien, bei denen jeder Jahrgang individuell schmecken soll, ähnlich wie bei Wein. Das liegt nahe, denn Kaffee hat sogar mehr Aromen als Wein. Und einen guten Röster zeichnet aus, dass er genau weiß, wie sich diese Aromen am besten entfalten.
Und wie funktioniert das nun genau mit dem Kaffeerösten? „Zuerst einmal kommt es darauf an, dass man ein gutes Rohprodukt hat. Beim Rösten gibt es mehrere Parameter, die man beeinflussen kann: Menge, Temperatur, Röstdauer, Luftzirkulation in Trommel und die Trommelgeschwindkeit. Jeder Parameter verändert das Produkt, am Ende kommt es allerdings auch auf die eigene Intuition und Erfahrung an. Rösten ist eigentlich ein bisschen wie Kochen.“ Früher noch hat Klaus Wildmoser per Hand geröstet, heute macht die Maschine fast alles automatisch, während wir uns in Ruhe unterhalten.
Nur ab und an müssen Knöpfe gedrückt oder frische Bohnen nachgeschüttet werden. Diese kommen traditionell immer noch in großen Jutesäcken an, denn dieses Material eignet sich am besten für die wochenlange Überseefahrt auf dem Containerschiff. Hier knallt tagsüber die Sonne, nachts wird es bitterkalt – so bildet sich Kondenswasser und Jute sorgt für einen Feuchtigkeitsausgleich, damit die Bohnen nicht schimmeln. Kaffee wird übrigens ausschließlich containerweise verschifft – das heißt auch: Umso größer die Rösterei, desto günstiger und unabhängiger kann sie ihre Bohnen beziehen. Je nach Ursprungsland haben in einem Container zwischen 12 und 15 Tonnen Kaffee Platz, erzählt uns Wildmoser.
Und so mancher Kaffee entwickelt auf diesem Weg noch einmal ihren ganz eigenen Geschmack – wie der beliebte India Monsooned Malabar bei Fausto, dessen Bohne an der salzhaltigen Meeresluft anschwillt. Klaus Wildmoser zeigt uns die Bohnen im Vergleich zu anderen Sorten, sie sind tatsächlich größer. Auch das Anbaugebiet spielt natürlich eine wichtige Rolle: „Kaffees vom afrikanischen Kontinent haben eine ausgeprägtere Säure als aus Mittelamerika – das hängt zum einen mit der Bodenbeschaffenheit zusammen, aber auch mit der Kultivierung. Jeder Kontinent hat seinen eigenen Geschmack.“
Bei Fausto ist es ganz einfach: Die Kaffees sind nach ihrer Herkunft benannt wie „India“ oder „Peru“. 15 verschiedene Sorten gibt es mittlerweile, darunter sind auch Mischungen wie der Espresso „Barista“, „Giesing“ oder „Monaco“, der sich aus drei verschiedenen Bohnen zusammensetzt. In der Anfangszeit hat Wildmoser seine Bohnen komplett über den Rohkaffee-Handel bezogen, mittlerweile kauft er 60 Prozent direkt beim Kaffeebauern oder einer Genossenschaft ein: „Das sind langjährige Beziehungen, die auf viel Vertrauen basieren, weil man schon Jahre im Voraus plant, bestellt und bezahlt.“
Umso größer die Rösterei, desto eher kann sie auf Kaffeehändler verzichten – dann bleibt mehr Geld bei den Bauern. Fausto hat auch eine Handvoll Bio-Kaffeesorten im Angebot, aber auf das Fairtrade-Siegel verzichten sie, weil sich viele kleine Kaffeebauern diese Lizenz gar nicht leisten können.
„Kaffees vom afrikanischen Kontinent haben eine ausgeprägtere Säure als aus Mittelamerika – jeder Kontinent hat seinen eigenen Geschmack.“
Als Klaus Wildmoser mit dem Rösten anfing, studierte er noch Lebensmitteltechnologie und BWL in Weihenstephan bei Freising. Damals war er oft in der Konditorei „Zum Naschwerk“, im Café stand eine alte Röstmaschine: „Der Besitzer meinte, wenn ich es schaffe würde, dass mein Kaffee so schmeckt wie der von Illy, dann kauft er ihn mir ab.“ Daraufhin brachte Wildmoser sich selbst das Rösten bei, war oft in der Toskana, um dort den Italienern über die Schulter zu schauen. Die ersten Kilos wurden nichts, aber dann stand die Blindverkostung im Naschwerk an – und Fausto hatte seinen ersten Kunden.
Heute beschäftigt Fausto insgesamt 14 Angestellte, die unter anderem den Kaffee verpacken und verschicken. Letztes Jahr waren es alleine 35.000 DHL-Pakete, die als Bestellungen über den Onlineshop rausgingen. Im Ladencafé arbeiten an diesem Vormittag zwei Mitarbeiter – ein Kunde kommt während unseres Gesprächs auf Wildmoser zu und lobt die Expertise der beiden. Immer sonntags finden hier außerdem Barista-Schulungen oder Latte-Art-Kurse statt. Das Publikum im Fausto ist total gemischt, am Ecktisch ratschen zwei befreundete Rentner bei einem Espresso, eine junge Frau mit Kinderwagen setzt sich raus auf die schöne Terrasse direkt am Auer Mühlbach.
Diese tolle Location hat Klaus Wildmoser über einen schönen Zufall gefunden: Der Besitzer der Kraemer’schen Kunstmühle kam im alten Laden oft auf einen Kaffee vorbei, eines Tages bot er ihm die Räumlichkeiten an. Heute passt Fausto mit seinem nachhaltigen Kaffee-Ansatz perfekt zu dem ökologischen Gebäude, das mit Holzpalettes beheizt und mit Wasserkraft aus dem Bach mit Strom versorgt wird. Schon zehn Jahre sind sie hier und wollen auch nirgendwo anders hin. Wildmoser wird oft gefragt, ob er nicht expandieren möchte, er lehnt immer wieder dankend ab: „Dann könnte ich nicht mehr dafür garantieren, für was wir stehen!“