Bereits in der Blütezeit der Schwabinger Bohème um 1900 waren es Kunst- und Literaturschaffende, die sich rund um Universität und Kunstakademie ansiedelten und den Geist Schwabings prägten.
„Schwabing ist kein Ort, sondern ein Zustand." So drückte es vor 100 Jahren die Schriftstellerin und „Skandalgräfin“ Franziska zu Reventlow aus. Schwabinger Urgesteine, wie der Fotograf Wolfgang Roucka, sehen das heute noch so: „Schwabing ist kein üblicher Stadtteil und lässt sich nicht mit Worten erklären. Man muss ihn erfühlen.“
In den Straßen, Cafés, Bars und Kneipen rund um die Universität trifft man die typischen Schwabinger. In dem Viertel leben auch bekannte Kunstschaffende, wie die Filmemacherin Doris Dörrie, die Sport-Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein und die Schriftsteller Patrick Süskind und Hans Magnus Enzensberger ( † 24. November 2022), nebst Freigeistern wie dem Kommune-1-Gründer und Alt-68er Rainer Langhans.
Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts lebten und arbeiteten hier gesellschaftskritische Schriftsteller, wie Erich Mühsam, Stefan George und Frank Wedekind, und auch die Gruppe des Blauen Reiters.
Der Maler Paul Klee feierte ausgelassene Feste im ehemaligen Schloss Suresnes in der Werneckstraße, wo er sein Atelier hatte. In der Ainmillerstraße lebten weitere namhafte Persönlichkeiten, wie das Paar Gabriele Münter und Wassily Kandinsky, der Dichter Rainer Maria Rilke sowie die Zoologin Marianne Plehn.
„Schwabing war eine geistige Insel in der großen Welt, in Deutschland, meistens in München selbst. Dort lebte ich lange Jahre. Dort habe ich das erste abstrakte Bild gemalt. Dort trug ich mich mit Gedanken über ,reine‘ Malerei, reine Kunst herum.“
Die Gemälde von Wassily Kandinsky und der weltweit größten Sammlung der Kunst des Blauen Reiters sind im Lenbachhaus zu besichtigen. Zu verdanken ist dies der großzügigen Schenkung von Gabriele Münter, die selbst Mitglied der Gruppe war.
Die künstlerische Blütezeit Schwabings endete mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Während der Zeit des Nationalsozialismus formierte sich in Universitätskreisen ein Teil des Widerstandes gegen das Hitler-Regime.
Die Denkstätte Weiße Rose am Lichthof und das Bodendenkmal vor dem Haupteingang der Ludwig-Maximilians-Universität erinnern an die studentische Widerstandsgruppe, die für die Freiheit ihr Leben ließ. In Erinnerung an Georg Elser, dessen Attentat auf Hitler 1939 im Bürgerkeller missglückte, leuchtet am Georg-Elser-Platz täglich um 21.20 Uhr eine Neoninstallation.
Nach den starken Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg ist Schwabing wieder auferstanden. Renovierte Häuser im Jugendstil und Historismus strahlen zwischen typischen Bauten aus den 1960er-Jahren. Nach dem Krieg wurde das Viertel durch seine zahlreichen Clubs, Musikkneipen und Kabarett-Theater zum In-Viertel und Zentrum der Jugend- und Protestkultur.
Institutionen, wie die Münchner Lach- und Schießgesellschaft (gegründet 1956 von Sammy Drechsel und Dieter Hildebrandt), das TamS (Theater am Sozialamt), Heppel & Ettlich, das Lustspielhaus und das Vereinsheim sind geblieben.
Seit zehn Jahren ist ein Revival Schwabings zu erleben: Junge Gastronomie verknüpft Tradition und Neues. So entwickelte das Team der Cocktailbar an der Occamstraße seinen „Monaco Vodka“ mit dem Konterfei des „Monaco Franze“ auf dem Etikett. Der brachte in den 1980er-Jahren Schwabing auf die Fernsehbildschirme.
Auf dem neu gestalteten Wedekind-Platz leuchtet auch die „Schwabinger Laterne“ wieder, die die „Schwabinger Gisela“ in ihrem Nachtlokal schräg gegenüber jahrelang besang. Wer gerne in Buchhandlungen oder Antiquariaten stöbert, in Studentenkneipen speist und auch einmal gerne Unkonventionelles probiert, wie das Weißwurst-Eis in der Amalienstraße, der ist in Schwabing genau richtig.
Beim Alten Simpl taucht man in die Atmosphäre des Stadtviertels um 1900 ein, als die Redaktion des Simplicissimus sich hier traf, um das Etablissement satirisch in Frage zu stellen. Die Zeichnungen und Gedichte, die die oft mittellosen Kunstschaffenden als Zahlungsmittel hinterließen, hängen noch heute an den holzvertäfelten Wänden.
Modernes Design erlebt man im Showroom von Ingo Maurer. Der international bekannte Lichtdesigner ist im Oktober 2019 im Alter von 87 Jahren verstorben. Seine Kreationen bringen ganz München zum Leuchten: Von Maurer stammen die Lichtkonzepte der U-Bahnhöfe Westfriedhof, Münchner Freiheit und Marienplatz.
Mitten durch Schwabing verläuft von Nord nach Süd die Leopoldstraße, eine breite Pappelallee, auf das Siegestor und die Stadtmitte Münchens zu. Von einem der zahlreichen Straßencafés der Flaniermeile lassen sich in aller Ruhe Passanten, Radler und auch mal Cabriolet-Fahrer, die lässig die Leopoldstraße auf- und abrauschen, beobachten. Sehen und gesehen werden: Auch das ist Schwabing!
Parallel dazu erstreckt sich östlich der Englische Garten bis an die nördliche Stadtgrenze Münchens. Hier trifft man Studentinnen und Studenten beim Sonnenbad zwischen den Vorlesungen, Familien beim sonntäglichen Picknick, Straßenmusikanten und Freizeitfußballer. Beliebtes Ziel sind die Biergärten am Chinesischen Turm, am Kleinhesseloher See, beim Aumeister oder in der Hirschau.
Neugierig geworden? Dann lassen Sie das ehemalige Künstlerviertel um 1900 mit der Führung „Mythos Schwabing“ wieder aufleben und lassen Sie sich das heutige Schwabing von einem offiziellen Guide zeigen.