Der Münchner René Götz hat die „Hofflohmärkte“ 2004 ins Leben gerufen – mittlerweile gibt es pro Jahr über 500 Termine in ganz Deutschland. Wir sind mit dem Initiator über die Hofflohmärkte in Neuhausen spaziert und haben über die Vielfalt der Münchner Viertel gesprochen. Hier finden Sie auch alle Termine für 2024!
Als der Münchner René Götz vor über 15 Jahren den ersten Hofflohmarkt in Haidhausen veranstaltete, ahnte niemand, wie sich diese Geschichte noch entwickeln würde. Heute kennen so gut wie alle die Hofflohmärkte, pro Jahr finden deutschlandweit über 500 Termine statt und René Götz kümmert sich mittlerweile hauptberuflich um die Organisation. Dabei ist die Idee so simpel wie schön: Man verkauft seine Sachen im eigenen Hinterhof, Garten oder in der Garage. Wie nebenbei gibt's ein kleines Schwätzchen mit den Menschen aus der Nachbarschaft und man tut noch etwas Gutes für die Umwelt. Unsere Autorin hat sich mit dem Initiator René Götz getroffen und ist mit ihm über die Hofflohmärkte in Neuhausen-Nymphenburg spaziert.
Wo und wie hat alles angefangen mit den Hofflohmärkten?
Der Ursprung der Idee kommt aus Amerika, dort bekannt als Garage oder Yard Sales. Ich hab damals bei der Fernsehserie Golden Girls von von Bekannten davon mitbekommen. Auch in Deutschland gibt es privat organisierte Hofflohmärkte schon seit den 80er-Jahren. Die große Welle kam dann Anfang der 2000er, als sich immer mehr Höfe in München zusammengeschlossen haben. Ich war damals schon viel mit Ladeninhaber*innen, Café-Betreiber*innen und Kreativen im Austausch, weil ich ein Stadtteil-Magazin gemacht habe. Gemeinsam haben wir überlegt: Was können wir tun, damit das Viertel lebendiger wird? Da fielen uns die Hofflohmärkte ein – und so war der erste offizielle Termin in Haidhausen geboren. Dass die Idee aus den Vierteln heraus entstanden ist, finde ich bis heute sehr wertvoll.
Stadtteil-Magazin, Hofflohmärkte – woher kommt deine Leidenschaft für die Münchner Viertelkultur?
Für mich sind die Viertel der Puls einer Stadt, denn erst viele einzelne lebendige Teile formen das große Ganze. Klar, es gibt weltbekannte Sehenswürdigkeiten bei uns wie das Oktoberfest oder den Marienplatz, aber München ist so viel mehr. Die Innenstadt ist wunderbar und wichtig, genauso haben aber auch Haidhausen und Neuhausen sowie Obermenzing und Pasing tolle Projekte zu bieten. In den Vierteln befinden sich Stadtteilkinos, kleine Theaterbühnen, Läden und Cafés – und damit ja auch Lebensträume. Ich finde es schön, wenn jemand etwas Neues eröffnet, denn damit sagt man auch: Ich habe Lust etwas in meinem Viertel zu verändern!
„Es gibt weltbekannte Sehenswürdigkeiten bei uns wie das Oktoberfest oder den Marienplatz, aber München ist so viel mehr. “
Du wohnst selber in Hadern. Was macht dein Viertel aus?
Ich bin ein Pasinger Kindl und habe dort früher schon die Nachbarschaft sehr geschätzt: Man kennt sich, man hilft sich. In den eher ländlich geprägten Münchner Vierteln geht es alles andere als anonym zu. Und ich habe das Gefühl, das kommt auch überall anders gerade wieder. Die Leute wollen nicht mehr nur im Hausflur wortlos aneinander vorbeilaufen, sondern eine starke Hausgemeinschaft haben. In Hadern haben wir genau das: Der alte Dorfkern, unser Wochenmarkt – alles ist sehr persönlich. Unser Vermieter führt eine Schreinerei im Hinterhof, eine Freundin hat einen Blumenladen. Ich hatte dort auch ein kleines Café mit Wohnaccessoires, aber am Ende war es schwer, alles unter einen Hut zu bringen. Aber deshalb verstehe ich die kleinen Ladeninhaber*innen umso besser.
Die Hofflohmärkte sind jetzt dein Hauptjob. Wie kann man sich deinen Arbeitsalltag vorstellen?
Mein Job dreht sich vor allem um Kommunikation, Koordination, Konzeption und die Gestaltung. Ich sitze viel im Büro, mache Pläne, beantworte Mails. Um die Organisation kümmere ich mich momentan alleine, aber ich gebe auch immer mehr an die Nachbarschaften ab – dadurch wird es ein gemeinschaftliches Projekt. Trotzdem muss die Terminplanung gemacht, Pläne gezeichnet und veröffentlicht, die Website aktualisiert werden. Und obwohl es mittlerweile viel Routine gibt, verändert sich dieser Beruf auch ständig: Bis 2019 hatten wir zum Beispiel noch gedruckte Flyer, aber da alles digitaler wird, setze ich jetzt mehr auf Social Media und digitale Karten. Auch die neuen Städte, die jedes Jahr dazukommen, machen meine Arbeit wahnsinnig spannend. Und es wächst noch immer, ich hab jeden Tag Anfragen aus neuen Nachbarschaften. Mittlerweile gibt es jedes Jahr rund 500 Termine in ganz Deutschland – von München nach Hannover, von Berlin nach Frankfurt. Das war nicht der Plan, es ist einfach gesund gewachsen.
„Die Leute wollen nicht mehr nur im Hausflur wortlos aneinander vorbeilaufen, sondern eine starke Hausgemeinschaft haben.“
Was glaubst du, warum ist das Konzept der Hofflohmärkte so beliebt?
Weil es zeitgemäßer ist denn je. Es beantwortet große Fragen in einem einfachen Konzept: Man kann seine Nachbar*innen kennenlernen und nebenbei noch Sachen verkaufen, statt sie wegzuwerfen. Die Hofflohmärkte vereinen also Nachhaltigkeit mit Nachbarschaftlichkeit. Und sie schaffen ein echtes Erlebnis in einer Zeit, in der man sich wieder persönlich austauschen möchte. So schön Onlineshopping auch ist, aber es ersetzt keinen lebendigen Tag, der bei einem schönen Hoffest endet und man noch länger zusammensitzt.
Heute sind wir in Neuhausen-Nymphenburg unterwegs. Was verbindest du mit diesem Stadtteil?
Neuhausen-Nymphenburg ist für mich primär das Schloss Nymphenburg, der Botanische Garten, der Rotkreuzplatz – die zentralen Punkte. Ich saß schon oft mit Freund*innen, die hier wohnen, auf der Gerner Brücke oder bin die Südliche Auffahrtsallee entlangspaziert. Aber wer kennt die kleinen Seitenstraßen? Die heute zu entdecken ist ja schon einmal ein Erlebnis.
„Mittlerweile gibt es jedes Jahr 500 Termine in ganz Deutschland – das war nicht der Plan, es ist einfach gesund gewachsen.“
Was ist an der Münchner Viertelkultur einzigartig?
Für mich ist München eine große Wundertüte. Obwohl ich hier geboren bin, habe ich für die Hofflohmärkte viele Ecken entdeckt, die mich faszinieren. Ob das ein besonders schöner Platz, ein bestimmter Baustil oder einfach nette Menschen sind. Ich mag die Herzlichkeit in der Stadt, die Menschen sind sehr begeisterungsfähig. Deshalb war München auch ein guter Startpunkt für die Hofflohmärkte. Gleichzeitig könnte die Stadt noch so viel mehr – das sieht man ja auch so einem Projekt.
Wenn ich als Besucherin nach München kommen würde, in welches Viertel würdest du mich schicken?
Ich würde dir zuerst einmal die Frage stellen, ob du ein urbanes oder ein ländlich geprägtes Viertel kennenlernen willst. Wer Schnäppchen schlagen will, ist am Stadtrand vielleicht etwas besser aufgehoben als mittendrin. Und die umliegenden Viertel lohnen sich oft, weil man hier echte Schätze entdecken kann. Meine eigenen Münchner Lieblingsviertel sind Haidhausen, Neuhausen, Untergiesing und die Au, aber noch viel eher würde ich eine bestimmte Uhrzeit empfehlen: Der Freitagabend hat vor allem im Sommer etwas Magisches – da wird in den Sonnenuntergang hinein verkauft, zwischen 17 bis 22 Uhr.
„Ich mag die Herzlichkeit in der Stadt, die Menschen sind sehr begeisterungsfähig. Deshalb war München auch ein guter Startpunkt für die Hofflohmärkte.“
Hast du einen eigenen Lieblingsflohmarkt in München?
Ich bin ein Trödelkind, meine Eltern haben mich früher jede Woche auf den Flohmarkt mitgenommen. Der war in der Arnulfstraße, leider gibt es den nicht mehr. Heute geh ich gerne auf die Flohmärkte an der Galopprennbahn oder in Riem. Ich mag aber auch die Nachtflohmärkte in München total gerne.
Was war dein eigener größter Flohmarkt-Schatz?
Ich bin Lego-Fanboy und sammle Figuren. Danach halt ich immer Ausschau, wenn ich auf einem Flohmarkt unterwegs bin. Heute habe ich schon so einen Stand entdeckt, aber ich muss aufpassen, weil ich mittlerweile schon zu viel habe. Ich freu mich auch über alte Gesellschaftsspiele, die man noch aus seiner Kindheit kennt, oder skandinavische Möbel im Shabby Chic.
Was war das Verrückteste, das jemals bei Hofflohmärkten angeboten wurde?
Krass finde ich, wenn Leute ihr gesamtes Wohnzimmer zum Verkauf anbieten – dann steht einfach mal eine komplette Schrankwand im Garten plus Couch, Lampe, Esstisch und Fernseher. Das gab es aber vor allem früher noch mehr, als man noch nicht so leicht Sachen über Kleinanzeigen verkaufen konnte. Aber man sieht immer wieder besondere Fundstücke: Letztens in Haidhausen habe ich jemanden mit einem Surfbrett unterm Arm spazieren gesehen. Und heute in Neuhausen gab es erstaunlich viele Trachten, wahrscheinlich weil jetzt nach dem Oktoberfest alle ausgemistet haben.
„Generell geht es also auch darum, den Hof an sich noch mehr zu nutzen. Wäre doch schade, wenn hier nur eine Wäscheleine hängt.“
Woran arbeitest du gerade? Was wäre der nächste Schritt für die Hofflohmärkte?
Ich find's total schön, wie es gerade ist und bin auch sehr dankbar für die große Community. Ein Ziel für's nächste Jahr wäre, die Leute mehr miteinander zu verknüpfen. Ich bekomme so viele Anfragen, zum Beispiel zum Thema Kleidung spenden. Warum also nicht eine Plattform aufzubauen, auf der man ganz einfach an Einrichtungen wie die Diakonia spenden kann? Und dann gibt es die Grüne Liesl, ein Online-Portal für nachhaltige Produkte, das mir sehr am Herzen liegt. Aber auch die Kultur darf noch wachsen: Ich möchte die Hofwerkschauen und die Hofkonzerte noch größer machen. Leute können sich hier Musiker*innen buchen, die in ihrem Hof spielen. Und Künstler*innen können draußen arbeiten und ihre Werke ausstellen. Generell geht es also auch darum, den Hof an sich noch mehr zu nutzen. Wäre doch schade, wenn hier nur eine Wäscheleine hängt.