Unsere Autorin konnte in den letzten Jahren als Reisebloggerin ihren Entdeckerdrang ausleben, zurück in München war immer Entspannung angesagt. Was sie dabei verpasst hat, holt sie in ihrer Kolumne nach. Diesmal: eine Radtour quer durch München.
Ich fahre gerne Rad, sage aber immer recht schnell dazu: Wenn’s nicht regnet, wenn’s nicht zu heiß ist, wenn die Strecke nicht allzu lang ist – denn mein Rad trägt mich durch keine Langstreckentour. Eigentlich ist das, was ich gerne mache, bequem, sicher und in angenehmen Tempo von A nach B zu gelangen.
Mein Wunsch, in München mehr Rad zu fahren, um die Stadt aus dieser Perspektive besser kennenzulernen, ist der Aufhänger für meine Kolumne. Denn ich bin noch nie zum Spaß durch meine Heimatstadt geradelt, obwohl es sich so gut anbietet. Vielleicht, weil ich das Gefühl habe, bereits alles zu kennen und deshalb nicht, wie ich es als Touristin tun würde, einfach so los radle, um zu entdecken? Doch einen heißen Sommertag, den man am besten an der Isar, in einem kühlen Museum oder bei einem Eiskaffee auf einer schattigen Terrasse verbringt, kann man ganz wunderbar mit einer entspannten Feierabendtour ausklingen lassen. Oder?
In Allach-Untermenzing, am nord-westlichen Stadtrand, liegt eine Insel der Erholung und das darf man gerne wörtlich nehmen. In der 1445 erbauten Mühle befindet sich heute das Hotel und Restaurant Inselmühle, auf dem dazugehörigen Gelände wartet ein Biergarten, der 2020 zum schönsten der Stadt gewählt wurde. Was man in München nämlich ziemlich gut kann, ist sehr entspannt und gesellig unter schattigen Kastanien sitzen, während die Sonne durch die Blätter blitzt, ein kühles Helles die Kehle erfrischt und die Riesenbreze am Tisch herumgereicht wird. Da ist es beinahe eine Herausforderung, den Biergarten als Startpunkt auszuwählen, denn wo sonst lässt es sich besser die Zeit vergessen? Aber Fotograf Frank und ich wollen weiter und spätestens, als wir die ersten paar Meter entlang der Würm radeln, bereuen wir den Aufbruch ganz und gar nicht.
Hier steigt der Knoblauchduft von frisch geröstetem Brot in die Nase, dort höre ich Weingläser klirren, woanders bellt ein Hund, der dringend hofft, dass vom Tisch etwas darunter fällt – il dolce far niente? Irgendwie schon.
Sommer fühlen. Die Grillen zirpen, als würden sie sich selbst nach dem Gesang südfranzösischer Zikaden sehnen – statt Lavendelfelder gibt es allerdings Klatschmohn am Wegesrand zu bestaunen, und zur Linken plätschert ein Fluss.
Die Würm ist knapp 40 Kilometer lang, auf der Strecke vom Biergarten Inselmühle nach Obermenzing wird sie umrahmt von dichtem Grün. Als wir vorbeiradeln, planschen Kinder in den Buchten, Erwachsene lassen die Füße ins Wasser baumeln und lesen. Zu schön, um wahr zu sein, denke ich, und wenige Minuten später ist’s auch schon vorbei, denn der Weg führt jetzt durch den Stadtteil Obermenzing. Was nun folgt, ist der einzige kurze Teil der gesamten Strecke, bei dem es weder viel zu sehen gibt, noch idyllisch zugeht. Kurz nachdem die turbulente Verdistraße in die Amalienburgstraße übergeht, biegen wir allerdings rechts ab und sind zurück im Grünen, denn wir radeln An der Schlossmauer, so heißt auch der Weg.
Er führt uns zwischen dem Botanischen Garten und der Schlossanlage Nymphenburg hindurch und wir kommen genau da heraus, wo Einheimische gerne ihre Sommer verbringen, nämlich in Italien: An der Kreuzung zur Maria-Ward-Straße wirkt die Umgebung wie die eines verlassenen italienischen Dorfes zur Siesta. Die Sonne brennt aus einem hellblauen Himmel, niemand ist unterwegs, alle sitzen in abgedunkelten Räumen und halten den Atem an – die heiße Jahreszeit ist längst in jede Hausritze gekrochen. Wir halten im Schatten einer Wand an und ich merke, wie gut mir dieser Ausflug tut. So oft bin ich schon in der Schlossanlage spazieren gegangen, doch diesen Weg hier kannte ich gar nicht. Ich bin neugierig auf den Rest der Tour und spüre einen Entdeckungsdrang, den ich vor allem von meinen Reisen kenne.
Sommer fühlen. Die Grillen zirpen, als würden sie sich selbst nach dem Gesang südfranzösischer Zikaden sehnen – statt Lavendelfelder gibt es allerdings Klatschmohn am Wegesrand zu bestaunen.
„Eis?“, frage ich Frank und er nickt. Also treten wir in die Pedale, fahren den malerischen Nymphenburger Kanal entlang und biegen nach rechts ab Richtung Rotkreuzplatz. Ab hier halte ich bereits Ausschau nach einer potenziell langen Schlange von Eisfans an Münchens ältester Eisdiele. Doch wir haben Glück! Vielleicht, weil es bereits 19 Uhr ist und sich viele schon auf den Weg zum Abendessen machen. Ich probiere die Sorte Weiße Schokolade mit Pistazie, Frank wählt den Klassiker aller Klassiker, die Schokolade. An den vermeintlichen Standardsorten kann man schließlich am besten feststellen, ob es sich um eine gute Eisdiele handelt, das ist wie mit der Tomatensuppe in der Trattoria ums Eck. „Sarcletti“ besteht den Test, und zwar schon sehr lange, was alle Münchner*innen wissen, die bei einer Kugel Eis im Sommer schwach werden.
Wir sind etwas in Zeitverzug geraten, denn eine gute Strecke liegt noch vor uns, bevor wir in anderthalb Stunden zum Abendessen einkehren wollen. Macht aber nichts, denn es zeigt nur, dass es viele Fotomotive gab und auch genügend Möglichkeiten für eine kurze Pause. Trotzdem. Wir ziehen ein bisschen das Tempo an und fahren über die Donnersbergerbrücke, vorbei an der Großstadtromantik mit Blick auf die Gleise, Fernzüge und im Hintergrund die Türme der Frauenkirche.
Sobald man die turbulente Brücke überquert hat, fällt man hinein ins Westend, das zum einen ein ruhiges, entspanntes Fleckchen in München ist, zum anderen am frühen Abend so richtig zum Leben erwacht: Überall füllen sich die hübschen und einzigartigen Schanigärten mit Menschen. Während wir an ihnen vorbeiradeln, steigt hier der Knoblauchduft von frisch geröstetem Brot in die Nase, dort höre ich Weingläser klirren, woanders bellt ein Hund, der dringend hofft, dass vom Tisch etwas darunter fällt – il dolce far niente? Irgendwie schon. Auch wenn Frank und ich streng genommen Sport machen.
Und damit sind wir nicht die Einzigen. Auf der Theresienwiese angekommen, sehe ich ein paar junge Frauen, die von einem Fitnesstrainer angefeuert werden. Daneben eine Gruppe, die fechtet. Mein Blick schweift nach links, wo unterhalb der Bavaria Paare und Cliquen sitzen, die picknicken oder sich eine Flasche Wein teilen. Wir fahren quer über die Theresienwiese und ein schüchternes Gefühl von Freiheit weht um die Nase. Aufgrund der leider nicht stattfindenden Volksfeste und Flohmärkte wächst das Gras hier übrigens derzeit nach. Die Natur holt sich einen Teil des Geländes zurück – ich persönlich habe die Theresienwiese so noch nie gesehen.
Nach zehn Minuten am Zoo angekommen, radeln wir über den Fluss und werden dabei von der blauen Stunde umarmt. Abkühlung in Sicht.
Durch die Isarvorstadt geht’s ins Schlachthofviertel mit seinen gepflasterten Straßen und Backsteinfassaden. Ein wildes Quartier, das im Umbruch steckt, da einige Flächen ehemaliger Großbetriebe Platz für Zwischennutzungen und Umstrukturierungen bieten. Das zieht vor allem junge Menschen aus der Gastronomie an. Menschen wie Daniel Hahn, der das wagemutige Projekt umgesetzt hat, einen ausgedienten Schiffsdampfer auf eine stillgelegte Eisenbahnbrücke zu setzen.
Die Alte Utting steuern wir mit einer tief stehenden Sonne im Rücken an, um kurz den Durst zu löschen. Wir steigen die Stufen zum Schiff auf der Brücke nach oben, ich suche uns einen Platz, während Frank zwei eiskalte Getränke bestellt. Als ich mich umschaue und in viele glückliche Feierabendgesichter blicke, merke ich, wie besonders dieser Ort ist. Eine Fusion aus Café, Restaurant, Biergarten und Kulturbühne über den Dächern der Stadt. Ein so verrücktes Projekt, an dem ich mich nie ganz sattsehen kann. Hier kann man gut einen Moment die Zeit vergessen und feststellen, dass trotz des vielen Grüns, München eine Großstadt ist, die sich an Orten wie der Alten Utting auch so anfühlt. Schnell noch ein Handyfoto, dann geht’s weiter, mit etwas müden Beinen der Isar entgegen, die wir zum ersten Mal bei dieser Radtour überqueren werden.
Wir fahren quer über die Theresienwiese und ein schüchternes Gefühl von Freiheit weht um die Nase.
Nach zehn Minuten am Zoo angekommen, radeln wir über den Fluss und werden dabei von der blauen Stunde umarmt. Abkühlung in Sicht. Den sich anschließenden Harlachinger Berg, der das Stadtviertel Thalkirchen mit dem Isarhochufer verbindet, schaffe ich heute nicht. Zu krass die Steigung, zu groß der Hunger, zu heiß die Stunden, die hinter uns liegen. Da ich aber nicht weit von hier entfernt wohne und ihn immer mal wieder hinunter düse – wohl wissend, was darauf folgt – habe ich mir fest vorgenommen, ihn bis zum Ende des Sommers zu bezwingen. Auf der anderen Seite der Isar radeln wir weiter Richtung Süden, durch die stillen Siedlungen des letzten Viertels vor der Stadtgrenze. Nach weiteren fünf Minuten sind wir da: Endstation Harlachinger Jagdschlössl.
Es ist fünf vor neun, als der Kellner uns einen Tisch im großen Innenhof zuweist und uns augenzwinkernd wissen lässt, dass die Küche gerade schließt, wir aber noch schnell eine Bestellung aufgeben können. Wir entscheiden uns für eine Flasche Weißwein, Frank nimmt ein Filet von der Scholle mit Kartoffel-Gurken-Salat, während mir das Wasser im Mund zerläuft bei den selbergemachten Pfaffenwürgern – das sind Spinatnockerl mit Kirschtomaten, Salbeibutter und Parmesan.
Wir lehnen uns zurück, stoßen an, und schauen uns selig um. Knapp vier Stunden waren wir unterwegs, eine Strecke, die mir ganz neue Facetten von München und auch dem Umland gezeigt hat. An diesem Abend habe ich gar nicht das Gefühl, dass ich den ganzen Tag gearbeitet hatte. So randvoll bin ich mit all den schönen Eindrücken und dem Gefühl, nach Feierabend noch richtig was erlebt zu haben.
Start: Biergarten Inselmühle (S 2 Richtung Petershausen, Ausstieg Allach, dann 10 Minuten Radweg zum Startpunkt)
1. Etappe: Würm – Obermenzing – Nymphenburger Schloss
Den Biergarten verlassend, biegen wir links ab und fahren die Würm entlang bis zur Kreuzung Durasweg/Widweg. Über die Dorfstraße geht es dann zur Verdistraße, auf die nach links abgebogen wird. Sie wird später zur Amalienburgstraße und dann zur Menzinger Straße, auf dieser Höhe biegen wir rechts ab in den Weg An der Schlossmauer. Dieser führt bis zum Schlosspark, wo sich der Nymphenburger Kanal anschließt.
2. Etappe: Schlosskanal – Eiscafé Sarcletti – Theresienwiese
Den Schlosskanal fahren wir auf der rechten Seite entlang und biegen an dessen Ende in die Nymphenburger Straße ein, die uns über den Rotkreuzplatz zur Eisdiele Sarcletti bringt. Von dort aus biegen wir rechts ab auf die Landshuter Allee, fahren über die Donnersbergerbrücke und ein gutes Stück gerade aus auf der sich daran anschließenden Trappentreustraße. Wir biegen links auf die Ridlerstraße ab, am Ende dieser wartet der Bavaripark, die Theresienwiese schließt sich daran an.
3. Etappe: Isarvorstadt – Schlachthofviertel – Alte Utting
Einmal quer über die Theresienwiese, biegen wir auf der anderen Seite in die Kapuzinerstraße und dann nach rechts in die Tumblingerstraße ab. Aus der Unterführung kommend, biegen wir nach links ab und radeln direkt auf die Alte Utting zu.
4. Etappe: Thalkirchen – Harlachinger Jagdschlössl
Von der Alten Utting geht es rechts ab auf die Schäftlarnstraße Richtung Süden bis zur U-Bahn-Station Thalkirchen (Tierpark). Wir biegen links ab auf die Tierparkstraße, die am Zoo vorbeiführt, bis wir rechts auf die Siebenbrunnerstraße wechseln, die uns den Harlachinger Berg hinaufführt. Oben angekommen fahren wir die Geiselgasteigstraße Richtung Süden bis zum Theodolindenplatz, biegen links ab auf die Theodolindenstraße und radeln diese entlang, bis sie die Seybothstraße kreuzt. Hier biegen wir ein letztes Mal rechts ab, das Harlachinger Jagdschlössl befindet sich dann ebenfalls auf der rechten Seite.
Gesamte Länge: Knapp 20 Kilometer
Hier finden Sie diese Tour zum Download als gpx-Datei.