Im Münchner Osten entwickelt sich seit 2016 ein Ort mit lebendiger Geschichte zu einem einzigartigen Trend-Quartier mit Zukunftsvision. Das Werksviertel-Mitte verbindet Altes und Neues und schafft dabei ein ganz eigenes urbanes Lebensgefühl – mit viel Kultur, modernem Leben und Schafen auf dem Dach.
Vielleicht beginnt Münchens Zukunft gleich hinter dem Ostbahnhof. Zumindest mausert sich hier seit knapp sieben Jahren ein Industriegelände zu einem urbanen Trend-Viertel, das Einheimische und Tourist*innen gleichermaßen anlockt. Manche wollen hier sesshaft werden, andere genießen den Augenblick. In jedem Fall ist für alle etwas geboten im Werksviertel-Mitte. Denn hier vereinen sich Kreativität und Kommerz, Arbeiten und Wohnen, Underground und Establishment.
„Urbanität neu erleben“, so lautet das Motto im Münchner Osten. Was hier passiert, gilt als eines der spannendsten Städtebauprojekte des Landes, das erst im Mai 2023 mit dem Deutschen Städtebaupreis ausgezeichnet wurde. Alt und neu vereinen sich hier. Umfunktionierte Industriegebäude neben zukunftsweisenden Neubauten sorgen für architektonische Extravaganz. Manch einer sieht Ähnlichkeit zu New York´s hippem Meatpacking District oder Berlin´s trendigen Ecken.
Im gesamten Werksviertel sollen in den nächsten Jahren rund 1.500 neue Wohnungen und Büros, teilweise im Loft-Stil, mit rund 7.000 Arbeitsplätzen entstehen. Zwischenzeitlich sind auch Hotels, Läden, eine Schule und Kindertagesstätten dazugekommen. Und: Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks will im Herzen des Viertels ein neues Konzerthaus aufbauen – übrigens absolut gewollt gleich neben Street-Art und Gaffiti-Kunst. Der Auftrag ging an den österreichischen Architekten Cukrowicz Nachbaur. Sein pyramidenartiger Entwurf mit markanter Glasfassade gilt als Prestigeprojekt in München. In dem siebenstöckigen Glasbau werden neben dem großen Konzertsaal mit 1.800 Plätzen und einem kleinen Saal für bis zu 800 Plätze noch Probenräume, ein Foyer und Gastronomie untergebracht sein. Die geplante Eröffnung hat sich aufgrund der Pandemie leider verzögert, aber die Hoffnung auf die Umsetzung bleibt bestehen.
Heute ist Platz für Büros – und Achtung: für eine Schafherde auf dem Dach.
Bis der erste Spatenstich für das neue Münchner Konzerthaus erfolgen kann, wird das Gelände vorübergehend als Standort für „Umadum München“, das größte transportable Riesenrad der Welt genutzt. Seit April 2019 heißt es: in eine der 27 Gondeln einsteigen und die 30-minütige Fahrt mit atemberaubenden Panoramablick über die ganze Stadt genießen.
Zentrale Anlaufstelle im Werksviertel-Mitte ist das in Orange gehaltene Gebäude mit dem markanten Schriftzug WERK3 in der Atelierstraße 10. Der Name des Gebäudes erinnert an früher, denn damals produzierte Pfanni hier Knödel und Kartoffelbrei. Heute ist Platz für Büros – und Achtung: für eine Schafherde auf dem Dach. Auf der sogenannten Stadt-Hochalm befindet sich eine rund 2.500 Quadratmeter große Wiese mit Obstbäumen, Hochbeeten und einem Stall für Schafe. Dafür wurde das WERK3 übrigens extra als landwirtschaftlicher Betrieb eingetragen und die Almschule gegründet. Diese soll Kindern und Jugendlichen ein Stück Natur zurück in die Stadt bringen, und sie für die Themen gesunde Ernährung, Nachhaltigkeit und Umweltschutz sensibilisieren.
In Mitmach-Workshops können sich die Kinder um Vogelnistkästen kümmern, sie begleiten einen Imker bei seiner Arbeit am Bienenstock und beobachten Ameisen im Ameisenhotel. In der Almschule reicht eigentlich schon der Ort selbst – hoch oben auf dem Dach – für ein besonderes Erlebnis, das Lust macht auf Natur. Dabei ist die Almschule Teil eines Nachhaltigkeitskonzepts, mit dem das Werksviertel-Mitte aufzeigen will, wie unsere Städte in Zukunft ressourcenschonender und grüner funktionieren können. Dazu gehören unter anderem auch die Themen E-Mobilität und Carsharing-Angebote.
Am Fuße des WERK3 laden bunt bemalte Container zum Verweilen ein. Die Menschen machen es sich auf den zu Sitzbänken umfunktionierten Paletten gemütlich. Alles wirkt ein bisschen improvisiert – und das ist auch gut so, denn im sogenannten Container Collective spielt sich auch das Leben des Viertels ab. In den originalen Schiffscontainern aus Hamburg befinden sich Läden, Ateliers und Kneipen, es gibt Zimtschnecken, Schmuck, Obst und Gemüse und jede Menge anderer Köstlichkeiten.
Für grünes Ambiente und ein bisschen Schatten zum Dösen und Relaxen sorgen riesige Blumenbehälter, die auf eingelassenen Schienen durch das Viertel bewegt werden können. Die Schienen erinnern an frühere Pfanni-Zeiten, als das etwa 39 Hektar große Areal noch Fabriksgelände war. Mitte der 90er Jahre zogen die Firmen ab und es startete eine neue Ära, deren Handschrift auch heute noch im Werksviertel-Mitte ihren Platz findet und durchaus spürbar ist. Gemeint sind die Jahre ab 1996, in denen zunächst der sogenannte Kunstpark Ost, dann die Kultfabrik und die Optimolwerke zahlreiche Nachtschwärmer*innen hinter den Ostbahnhof lockten.
Die Nachtkantine war zuerst original Pfanni-Kantine, dann Anlaufstelle für Feierwütige und Nachthungrige und erlebt heute sein Revival als Restaurant mit Bar und Live-Bühne.
In den vormals Pfanni-Industriehallen kamen bis zu 30 Diskos, Lokale, Spielhallen und Ateliers unter. Es verging kein Wochenende, an dem nicht das feierwütige Volk in den damals legendären Läden wie der „Milchbar“, dem „Harry Klein“ oder dem Club „K41“ die Nacht durchmachte. Bis Anfang der 2000er-Jahre entwickelte sich das Weggeh- und Amüsierviertel immer weiter bis hin zu „Europas größter Partymeile“.
An zahlreichen Stellen sind auch die Zeichen dieser wilden Party-Zeit bis heute erhalten geblieben und komplettieren umso mehr das Bild des Viertels. Die „NachtKantine“ ist solch ein Beispiel: ein Ort, der Jahrzehnte überdauert hat. Er war zuerst original Pfanni-Kantine, dann Anlaufstelle für Feierwütige und Nachthungrige und erlebt heute sein Revival als Restaurant mit Bar und Live-Bühne. Auch die „TonHalle“ hat bis heute überlebt und bietet Platz für Konzerte, Kabarett und Comedy.
Drumherum drängen sich weitere Kultureinrichtungen und ein Theater. Dabei wollte man die Umbauarbeiten möglichst klein halten. Auch hier gilt: „Altes bewahren. Neues wagen“. Vor allem Letzteres steht im WERK1 in der Grafinger Straße 6 im Fokus, wo man sich auf die Fahne geschrieben hat, die gegenwärtigen und vielmehr noch zukünftigen digitalen Entwicklungen zu unterstützen. So nennt sich das WERK1 selbst den „freundlichsten Ort Münchens für Start-ups“. Heißt: Hier gibt es günstige Büroflächen und Coworking-Möglichkeiten. Ein Gründercafé und mehr als 100 Events im Jahr sollen das Networking und den Austausch in der digitalen Gründerszene fördern. Der Spirit von Silicon Valley lässt grüßen.
Eins steht fest: Es ist vieles im Gange im Werksviertel-Mitte – und noch lange nicht Schluss. Die Zukunft bleibt spannend gleich hinter dem Ostbahnhof. Und wer jetzt noch nicht genug hat und noch mehr über den Wandel von der Knödelfabrik über die Weggehmeile bis zum heutigen Stadtquartier erfahren will, der kann sich in einer zweistündigen Führung über das Gelände von dem urbanen Zukunftslabor und der Vision des Viertels inspirieren lassen. Die Touren über das Gelände finden in regelmäßigen Abständen statt. Startpunkt ist im Container Collective in der Atelierstraße 4. Die Termine sind hier einzusehen auf: www.werksviertel-mitte.de
Neugierig geworden? In unserem Podcast-Format „Auf eine Runde mit...“ geht unsere Autorin mit dem Graffiti-Künstler Loomit durch das Werksviertel Mitte. Er gibt nicht nur Tipps, sondern erzählt auch, was er an der Umgebung besonders mag. Sie können die Folge hier sowohl anhören als auch das Interview lesen.