Einst Industriegelände und Hotspot für Nachtschwärmer, mausert sich das Viertel rund um den Ostbahnhof zu einem urbanen Trend-Quartier. Das Werksviertel-Mitte will ein Stadtviertel der Zukunft schaffen.
Bunt bemalte Container stehen auf dem Areal gleich hinterm Ostbahnhof. Alles wirkt ziemlich provisorisch – und trotzdem einladend. Die Menschen machen es sich auf den zu Sitzbänken umfunktionierten Paletten gemütlich. In den Bauwagen befinden sich Läden, Ateliers, Kneipen, es gibt Wein und Bier, Kaffee und Zimtschnecken oder Eis für die Kinder.
Das Werksviertel-Mitte ist eines der derzeit spannendsten Städtebauprojekte in Deutschland. Etwa ein mal ein Meter breite Blumenbehälter lassen sich auf eingelassenen Schienen durch das Viertel bewegen. Die Schienen erinnern noch an das industrielle Erbe dieses Ortes. Denn früher produzierte Pfanni hier Knödel und Kartoffelbrei. Dann zogen die Firmen ab – ab 1996 hieß das Areal Kunstpark Ost, dann Kultfabrik und Optimolwerke.
Die Industriehallen beherbergten damals bis zu 30 Diskos, dazu Lokale, Spielhallen und Ateliers. Das Gelände hinterm Ostbahnhof war legendär für Läden wie die „Milchbar“, das „Harry Klein“ oder oder den Club „K41“. Noch bis Anfang der 2000er-Jahre strömte das feierwütige Volk in Massen an den Ort, der nur noch „Europas größte Partymeile“ genannt wurde.
Dann war Schluss – und keiner ahnte, was folgen sollte. Das ehemalige Amüsierviertel machte Platz für ein Stadtviertel der Zukunft. Seit 2012 stehen das Konzept und der Bebauungsplan: Start-ups und Kreative sollen hier weiter eine Heimat haben. Es wurde beschlossen, dass das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks im Herzen des Viertels ein neues Konzerthaus bekommt. Drumherum drängen sich weitere Kultureinrichtungen, wie die Tonhalle für Musik-Konzerte, Theater und Kinos.
Bis der erste Spatenstich für das neue Münchner Konzerthaus erfolgen kann, wird das Gelände vorübergehend als Standort für „Umadum München“, das größte transportable Riesenrad der Welt genutzt. Seit April 2019 heißt es in eine der 27 Gondeln einsteigen und die 30-minütige Fahrt genießen.
Gleichzeitig wird es im Werksviertel in Zukunft rund 1.500 neue Wohnungen und Büros mit rund 7.000 Arbeitsplätzen sowie Hotels, Läden, eine Schule und Kindertagesstätten geben. „Altes bewahren. Neues wagen“, lautet das Motto. Architektonisch heißt das: Die teilweise verborgenen Gebäudeschätze aus den letzten 50 Jahren gehen nicht verloren. Das Areal soll vielmehr um moderne, zukunftsweisende Bauten ergänzt werden.
Manch einer wagt da den Vergleich mit New York. Dort hat sich der Meatpacking District, der Schlachthofbezirk, zu einem Szeneviertel gemacht, das seine Wurzeln nicht verleugnet.