Berge, Seen und Museen. Machen Sie einen Ausflug dorthin, wo sich Kunst und Kultur, Landschaft und Architektur sommers wie winters aufs Allerschönste verbinden. Das sind die sechs interessantesten Museen zur Kunst des Blauen Reiter und des Expressionismus im Münchner Umland.
Die Voralpenlandschaft südlich von München war für die Mitglieder des Blauen Reiter eine Herausforderung. In zahllosen Bildern haben sie versucht, das Land vor den Bergen mit seinen Wiesen, Mooren, Feldern, Dörfern, Menschen und Tieren in seiner Seele zu erfassen. Franz Marc fand hier die Motive für seine Blauen Pferde. In Gabriele Münters Villa in Murnau am Staffelsee trafen sich Anfang des 20. Jahrhunderts die Pioniere der Modernen Kunst wie Wassily Kandinsky, Marianne von Werefkin, Alexej Jawlensky, Franz Marc, Paul Klee und Heinrich Campendonk.
Viele ihrer Bilder sind im Münchner Lenbachhaus mit der weltgrößten Sammlung zum Blauen Reiter ausgestellt, einige auch im MoMA in New York und im Centre Pompidou in Paris. Ein beachtlicher Teil der Gemälde ist aber an den Orten ausgestellt, in deren unmittelbarem Umfeld sie damals entstanden sind: in Kunstmuseen im Münchner Umland.
Nur rund eine Stunde Fahrt mit dem Auto oder der Bahn von München entfernt gibt es diese sechs Museen zu entdecken:
Ein Besuch im Münter-Haus erzählt die Liebesgeschichte von Münter und Kandinsky. Man wird zurückversetzt in jene fünf Jahre vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs, die die beiden in der Villa an der Kottmüllerallee in Murnau verbrachten. Wohl nirgends kommt man ihnen als Menschen so nahe. Auf einer Schwarzweißfotografie posiert Wassily in Lederhosen bei der Gartenarbeit, auf einem anderen schmust er mit der Katze. Sie sind noch jung, verliebt und ungeheuer kreativ.
Im Haus bemalen Gabriele und Wassily das gesamte Mobiliar: Vom königsblauen Küchenbüffet mit Blumenvasen im Stil der Bauernmalerei bis hin zum Treppengeländer im Hausflur, das deutlich Kandinskys Handschrift trägt. An den Wänden hängen Gemälde, Grafiken und Hinterglasbilder des Künstlerpaares.
Sie malen sich auch gegenseitig. Auf einem der Bilder lässt uns Münter sogar einen Blick auf ihren im Bett lesenden Lebensgefährten im Nachthemd erhaschen. Zurückgezogen leben sie nicht. Immer wieder laden sie Gäste in ihr Idyll. Das „Russenhaus“, wie es im Dorf heißt, ist ein beliebter Treffpunkt der Avantgarde. Gleichgesinnte Maler*innen sind hier ebenso willkommen wie der Komponist Arnold Schönberg und zahlreiche Sammler*innen und Galerist*innen. Im Münter-Haus finden dann 1911 auch die Arbeitssitzungen zur Vorbereitung des Almanachs „Der Blaue Reiter“ statt.
Aber nirgends hatte ich eine solche Fülle von Ansichten vereint gesehen, wie hier in Murnau zwischen See und Hochgebirge, zwischen Hügelland und Moos.
Münter verfügte, dass das Haus nach ihrem Tod als Ort der Erinnerung an ihre Kunst und an die Kandinskys bestehen bleiben und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollte. Ende des letzten Jahrtausends wurde es in seinem ursprünglichen Zustand von 1909 bis 1914 wiederhergestellt.
Adresse:
Münter-Haus
Kottmüllerallee 6
82418 Murnau
Anreise: Mit der Bahn (RB 6 München – Garmisch), Haltestelle Murnau, Fußweg vom Bahnhof zum Museum ca. 15 Minuten
Highlights: Die von Gabriele Münter und Wassiliy Kandinsky selbst bemalten Möbelstücke.
Vom Münterhaus führt ein Themenweg hinüber zum Schlossmuseum. Man spaziert an vielen Ortsansichten von Murnau vorbei, die das Künstlerpaar Münter und Kandinsky damals zu Bildern inspiriert haben.
Das Schlossmuseum beherbergt über 80 Gemälde, Zeichnungen und Grafiken von Gabriele Münter aus der Zeit von 1902 bis zu ihrem Tod 1962. Wer oft in Münchens Hausbergen unterwegs ist, möchte bei vielen Ansichten begeistert ausrufen: „Ja, so ist es, genauso ist es, so und nicht anders!“ Neben Münter sind weitere Mitglieder der „Neuen Künstlervereinigung München” und des Blauen Reiter ausgestellt wie Wassily Kandinsky, Franz Marc, Alexej Jawlensky, Marianne von Werefkin, Alexander Kanoldt, Heinrich Campendonk, Erma Bossi und Adolf Erbslöh, aber auch Max Beckmann, der keiner Gruppe angehörte.
Ein weiterer Sammlungsschwerpunkt führt noch ein Stück weiter zurück in die Zeit vor 1900, als Münchner Maler wie Carl Spitzweg, aber auch „Zugezogene“ wie Wilhelm Busch und Christian E. B. Morgenstern die Natur der Berge als Motiv für ihre Malerei entdeckten.
Ich habe (in Murnau) nach kurzer Zeit der Qual einen großen Sprung gemacht – vom Naturabmalen – mehr oder weniger impressionistisch – zum Fühlen eines Inhalts, zum Abstrahieren – zum Geben eines Extrakts.
Daneben widmet sich eine besondere Ausstellung der Hinterglasmalerei aus aller Welt mit Exponaten des Blauen Reiter bis hin zu Künstlern der Gegenwart wie Rupprecht Geiger (1908 bis 2009) und Gerhard Richter. Interessant ist auch die Dauerausstellung zu Leben und Werk des Schriftstellers Ödön von Horváth, der von 1923 bis 1933 in Murnau lebte. Im Garten und auf der Terrasse des Café-Restaurants Schlossgarten genießt man im Sommer die längste Sonne und im Winter den Glühwein.
Adresse:
Schloßmuseum Murnau
Schloßhof 2-5
82418 Murnau
Anreise: Mit dem Zug (RB 6 München – Garmisch), Haltestelle Murnau, Fußweg vom Bahnhof zum Museum ca. 15 Minuten
Highlights: Das „Selbstbildnis“ von Gabriele Münter von 1909, das Gemälde „Landschaft bei Murnau“ von Alexej Jawlensky von 1909/10
Lothar-Günther Buchheim, ist das nicht der mit dem Boot? Richtig, Buchheim ist vielen bekannt als Autor des Romans „Das Boot“, in dem er seine Erlebnisse als Besatzungsmitglied eines deutschen U-Boots im Zweiten Weltkrieg schildert. 1981 wurde der Roman von Wolfgang Petersen verfilmt. Lothar-Günther Buchheim (1918 – 2007) war außerdem Maler, Fotograf, Verleger, Kunstbuchautor, Filmemacher und Sammler. Ohne den künstlerischen Tausendsassa gäbe es das „Buchheim Museum der Phantasie“ in Bernried am Starnberger See nicht.
Im Zentrum des Museums steht seine bedeutende Sammlung expressionistischer Künstler, darunter Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel, Karl Schmidt-Rottluff, Max Pechstein, Alexej Jawlenskys und Otto Dix. Nach Ausstellungen im Münchner Lenbachhaus in den 1950er- und 1970er-Jahren und einer Welttournee von Anfang bis Mitte der 1980er-Jahre fanden all diese Werke eine feste Bleibe auf dem Seegrundstück in Bernried. Das Gebäude von Stararchitekt Günter Behnisch, aus dessen Feder auch der Münchner Olympiapark stammt, wurde 2001 eröffnet. Ein architektonisches Highlight ist der zwölf Meter über dem Starnberger See schwebende Steg mit Alpenpanorama.
Neben den weltberühmten Expressionisten zeigt das Museum auch Ausstellungen mit zeitgenössischen Kunstschaffenden, Kunsthandwerk aus aller Welt von Bayern bis nach Afrika und Asien und schließlich Werke des Künstlers Lothar-Günther Buchheim selbst. Das Museumscafé Buffi ist übrigens nach der Gemäldeserie „Riesen-Zirkus-Buffi“ benannt, die Buchheim von 1945 bis 1946 schuf.
Ich will Zusammenhänge und Zusammenklänge nicht etwa mit den üblichen, verquasten Reden, sondern direkt deutlich machen. Ich dachte eben weniger an steißtrommlerische Systematik als an Feste fürs Auge.
Sein Anliegen war es, sich von herkömmlichen Kategorisierungen zu lösen, nicht zwischen hoher und niederer Kunst zu unterscheiden, sondern seinen Gästen in erster Linie ein Fest fürs Auge zu bereiten. Ein Besuch im Museum lässt sich sehr schön mit einer Ausflugsfahrt auf dem Starnberger See verbinden. Hierfür gibt es ein Kombi-Ticket, das die Schifffahrt und den Museumseintritt beinhaltet.
Adresse:
Buchheim Museum der Phantasie
Am Hirschgarten
82347 Bernried am Starnberger See
Anreise: Mit dem Zug (RB 66 München – Kochel), Haltestelle Bernried, Fußweg vom Bahnhof zum Museum ca. 20 Minuten
Highlights: Lothar-Günther Buchheims weltberühmte Expressionistensammlung, ein Erinnerungsfoto auf dem Steg mit dem Starnberger See im Hintergrund
Überwältigend ist die Aussicht auf die Bäume, den Kochelsee und die nahen Berge mit dem Herzogstand durch das Panoramafenster im zweiten Obergeschoss. Hier möchte man durch alle Jahreszeiten hindurch sitzen und schauen. Und weil die Museumsverantwortlichen das wissen, bietet das Museum an bestimmten Tagen Relaxing Yoga im Aussichtsraum an. Wer sich traut, kann vor dieser Aussicht auf Anfrage sogar heiraten.
Seit 1986 gibt es das Franz Marc Museum mit Blick auf die Landschaft, in der der Maler gelebt und gearbeitet hat. Die Villa, die die Gemeinde Kochel damals zur Verfügung stellte, erhielt 2008 den Anbau mit dem Aussichtsfenster durch die Züricher Architekten Diethelm & Spielmann. Im selben Zug wurde die mehrere 100 Werke umfassende Sammlung von Franz Marc und der Bestand an Werken des Blauen Reiter um Gemälde der zweiten wichtigen Avantgardebewegung, der „Brücke“-Expressionisten, und um Werke der deutschen Nachkriegsabstraktion erweitert.
In seinen Ausstellungen setzt das Franz Marc Museum auf den Dialog mit den Werken anderer Kunstschaffender des 20. Jahrhunderts. Das können Persönlichkeiten aus der Zeit des Blauen Reiter und der Brücke sein, aber auch welche nachfolgender Künstlergenerationen. Was etwa passiert, wenn man Franz Marc neben Joseph Beuys hängt oder Georg Baselitz?
Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar.
Ein Besuch im Museum verbunden mit einem Spaziergang durch den Park mit Skulpturen von Per Kirkeby, Tony Cragg, Alf Lechner und Horst Antes ist eine echte Sinnesfreude. Zur Krönung bestellt man anschließend noch Kaffee und Kuchen auf der Terrasse des museumseigenen Cafés „Franz am See“.
Adresse:
Franz Marc Museum
Franz Marc Park 8-10
82431 Kochel am See
Anreise: Mit dem Zug (RB 66 München – Kochel), Haltestelle Bahnhof Kochel, Fußweg vom Bahnhof zum Museum ca. 15 Minuten, oder weiter mit Buslinie 9608 Richtung Garmisch-Partenkirchen, Haltestelle Franz Marc Museum
Highlights: Das Panoramafenster im zweiten Obergeschoss, Franz Marcs Gemälde „Rote Rehe“ von 1912, Gabriele Münters „Das gelbe Haus“ von 1911 sowie die „Große Promenade“ von August Macke und „Blaue Artisten“ von Ernst Ludwig Kirchner, beide aus dem Jahr 1914 .
Penzberg ist kein pittoresker Ort. In der ehemaligen Bergwerkstadt zwischen Kochelsee und Eurasburg wurde noch bis Mitte der 1960er-Jahre Braunkohle gefördert. Wie kommt hier die Kunst ins Spiel? Die Kunst kam in Gestalt des Malers und Grafikers Heinrich Campendonk nach Penzberg. 1911 siedelte er auf Einladung von Franz Marc mit seiner Familie vom nordrhein-westfälischen Krefeld ins oberbayerische Sindelsdorf über. Die wenige Kilometer von seinem neuen Wohnort entfernte Arbeiterstadt mit ihren Zechen, Bergwerkshäusern, Schornsteinen und Abraumhalden inspirierte das jüngste Mitglied des Blauen Reiter zu zahlreichen Gemälden.
Rund 300 Ölbilder, Aquarelle und Graphiken aus dem Gesamtwerk des Künstlers umfasst die Sammlung Campendonk heute. 2016 wurde dafür an das Museum in Penzberg angebaut. Das moderne Gebäude hat die gleiche Form wie das benachbarte denkmalgeschützte Bergarbeiterwohnhaus aus dem 19. Jahrhundert und ist mit diesem durch ein gläsernes Foyer verbunden. Architekt Thomas Grubert hat sich für einen modernen fensterlosen Neubau entschieden, den er mit nahezu kohlrabenschwarzem Klinker verkleidet hat – eine Remineszenz an den Bergbau in Penzberg.
Die Arbeiterstadt mit ihren Zechen, Bergwerkshäusern, Schornsteinen und Abraumhalden inspirierte Campendonk zu zahlreichen Gemälden.
Neben der Dauerausstellung mit Werken Campendonks gibt es hier immer wieder Sonderausstellungen zu einzelnen Aspekten seines Werkes, sowie Ausstellungen mit dem Schwerpunkt auf zeitgenössischer Kunst. Unbedingt sehenswert sind auch die zwei kleinen Präsentationen zur Stadtgeschichte: zum einen die original erhaltene Zweizimmerwohnung einer Bergarbeiterfamilie aus den 1920er-Jahren im alten Teil des Museums. Zum anderen die Gedenkstätte für die Opfer der „Penzberger Mordnacht“, die ihre Zivilcourage wenige Tage vor Kriegsende mit dem Tod bezahlen mussten.
Adresse:
Museum Penzberg – Sammlung Campendonk
Am Museum 1
82377 Penzberg
Anreise: Mit dem Zug (RB 66 München – Kochel), Haltestelle Bahnhof Penzberg, Fußweg vom Bahnhof zum Museum ca. 20 Minuten
Highlights: Die weltweit größte Sammlung zum Werk des jüngsten der „Blauen Reiter“, Heinrich Campendonk
Der Vater ein Seehund, die Mutter ein Troll. Das behauptete zumindest Olaf Gulbrannson von sich, der 1902 dem Ruf der Satirezeitschrift Simplicissimus folgte und sich zwanzig Jahre später im Schererhof am Tegernsee niederließ. Hier fühlte er sich sehr wohl, denn das Wasser, die Wälder und Berge erinnerten ihn an seine Heimat in Norwegen.
Glatzköpfig, wahlweise halbnackt oder mit Schaffellhose bekleidet arbeitete und zeichnete der „Wiking vom Schererhof“ die meiste Zeit im Freien. So vierschrötig sein Äußeres, so fein und einfühlsam sind seine Ölgemälde und Aquarelle. Ganz besonders zartfühlend ist dem Künstler ein Porträt seiner neugeborenen Enkelin gelungen.
Neben diesen eher seltenen Arbeiten sind auch seine Karikaturen ausgestellt. Sie zählen zu den Höhepunkten der europäischen Zeichenkunst im 20. Jahrhundert. Gulbranssons Hauptinteresse galt dabei der menschlichen Physiognomie. Wie wohl kein anderer verstand er es, durch Beschränkung auf wenige Linien das Charakteristische im Ausdruck eines Menschen herauszustellen.
Der flache weiße Museumspavillon, in dem die Sammlung untergebracht ist, wurde erst 1966 eröffnet, acht Jahre nach dem Tod des Künstlers. Architekt war der Münchner Sep Ruf, ein langjähriger Freund der Familie, dessen wohl berühmtestes Bauwerk der Kanzlerbungalow in Bonn ist. Das Museumsgebäude wurde 2008 erweitert.
Der Vater ein Seehund, die Mutter ein Troll. Das behauptete zumindest Olaf Gulbrannson von sich, der 1902 dem Ruf der Satirezeitschrift Simplicissimus folgte und sich zwanzig Jahre später im Schererhof am Tegernsee niederließ.
Seit zwei Jahren kuratiert der aus Tegernsee stammende Galerist Michael Beck im Olaf Gulbransson Museum zusätzliche Ausstellungen zu den Meistern des 19. und 20. Jahrhunderts. Das Herz geht einem auf, wenn man den Ausstellungsraum im Untergeschoss betritt, denn es sind seltene Schätze, die hier gezeigt werden. Beck schafft es immer wieder, privaten Sammlerinnen und Sammlern für seine Ausstellungen Kunstwerke zu entlocken, die oft Jahrzehnte lang der Öffentlichkeit nicht zugänglich waren.
In der Ausstellung „Von Renoir bis Jawlensky“ waren bis zum 8. Januar 2023 beispielsweise neben diesen beiden Malern unter anderem auch Gemälde von Emil Nolde, Max Beckmann, Lovis Corinth, Paul Gauguin, Erich Heckel, Wassily Kandinsky, Ernst Ludwig Kirchner, Max Liebermann, August Macke, Paula Modersohn-Becker, Gabriele Münter, Emil Nolde, Christian Rohlfs und Karl Schmidt-Rottluff zu sehen. Man darf auf weitere Ausstellungen dieser Art gespannt sein.
Adresse:
Olaf Gulbransson Museum
Kurgarten 5
83684 Tegernsee
Anreise: Mit dem Zug (RB 57 München – Tegernsee), Haltestelle Bahnhof Tegernsee, Fußweg vom Bahnhof zum Museum ca. 10 Minuten
Highlights: Die Selbstporträts, Fotografien und Dokumentarfilme, die aus dem Leben dieses ungewöhnlichen und exzentrischen Künstlers des 20. Jahrhunderts erzählen und natürlich seine Zeichnungen, die Sonderausstellungen zu den Meistern des 19. und 20. Jahrhunderts
www.olaf-gulbransson-museum.de