München hat den Anspruch, auch die Weltstadt der Toleranz, Vielfalt und Offenheit zu sein. Dafür standen die Olympischen Spiele von 1972 und das spiegelt sich heute noch in der in Teilen subversiven Clubkultur der Stadt wider. Vom Pimpernel über das Palais bis zum Blitz Club gilt in München: leben und leben lassen. Und gern auch mal etwas ausgefallener feiern.
Das Pimpernel ist eine Institution im Münchner Nachtleben, deren Ursprung bis in die 30er-Jahre zurückreicht. Zunächst war der Ort ein Bordell, nach dem Zweiten Weltkrieg Prostituiertentreff, dann exklusive Schwulenbar, die selbst in Zeiten der Sperrstunde bis zum Morgengrauen Champagner ausschenkte. Freddie Mercury feierte hier wilde Partys, Dragqueens prügelten sich mit ihren Zuhältern, und einmal tauchte der damals schon legendäre Sven Väth zu später Stunde mit einhundert Feierwütigen auf und schmiss eine After Hour.
Heute kennen die meisten Feiernden die bewegte Geschichte des Clubs gar nicht, aber die holzvertäfelten Wände scheinen sich mit den schrägen Ereignissen vollgesogen zu haben – jedenfalls herrscht in dem kleinen, schummrigen Club immer noch eine Atmosphäre, die zu exzessiven Partys anstiftet.
Als Schwulenbar bekannt geworden, war das Pimpernel von Beginn an auch ein Ort, an dem sich Menschen aller sexuellen Orientierungen trafen. Hauptsache, man erlebt gemeinsam was! Seit Ende der 90er-Jahre hat sich dieser Trend noch verstärkt – heute zieht der Club nicht nur Menschen aus der queeren Community an, sondern alle, die sich zu später Stunde fragen, wo noch etwas los ist. So trifft man im Pimpernel jede und jeden: von Studierenden über Lacklederne und Dragqueens bis hin zu Sparkassenangestellten.
Als einer der einzigen Clubs in München hat das Pimpernel jeden Tag geöffnet – und zwar von null Uhr bis sechs Uhr morgens. Voll wird es meistens, wenn die anderen Läden schließen.
Pimpernel, Müllerstraße 56
Im Palais Club trifft man alle, für die Partys bis zum Morgengrauen nichts sind. Schließlich ist es dann noch viel zu früh, um nach Hause zu gehen. Seit 2002 existiert der kleine Club im Bahnhofsviertel und hat sich über die Jahre zum beliebtesten (weil einzigen) After-Hour-Laden in München gemausert. Beim Interieur hat man sich für einen behutsamen und liebevollen Umgang mit der zwielichtigen Vergangenheit des Ortes entschieden.
In den 50er-Jahren traf man sich hier zum Zocken im Hinterzimmer, es folgte eine „Kleinkunstbühne mit erotischen Darstellungen“ und später eine Art Stripteaselokal. Entsprechende Mengen roter Samt, Leopardenprint und Gold erwarten einen, sobald man die schmale Treppe in den ersten Stock genommen hat. Damit die Gäste bis zum Mittag durchhalten, wird ab sieben Uhr ein berühmt-berüchtigtes Frühstücksbuffet serviert. Die meisten haben trotzdem keine Kaffeetasse, sondern einen Longdrink in der Hand.
Es wird gemunkelt, dass hier manchmal auch nüchterne Menschen erscheinen, die früh aufgestanden sind und mit Musik und Tanzen in den Tag starten wollen. Das Gros der Gäste setzt sich allerdings aus solchen zusammen, die schon die ganze Nacht unterwegs sind und trotzdem nicht nach Hause wollen. Weil der Palais Club meist der letzte offene Laden ist, landet hier ein sehr gemischtes Publikum.
Geöffnet hat der Palais Club freitags und samstags bis zwölf Uhr – wohlgemerkt mittags, nicht abends. Voll wird es meistens, wenn die Sonne langsam aufgeht.
Palais Club, Arnulfstraße 16-18
Nach der Eröffnung 2017 machte der Blitz Club gleich mal von sich reden, weil an der Tür eine Praxis forciert wird, die man bisher nur aus Berlin kannte: Wer rein will, muss die Kameras am Smartphone abkleben. Sofort stand die Frage im Raum: Was passieren hier für schmuddelige Dinge, dass man nicht fotografieren darf? Die Verantwortlichen stellten dann jedoch klar, dass sie vor allem zum Feiern und deshalb zu einer temporären Pause vom obsessiven Gewische am Display motivieren wollen.
Dabei gibt es im Blitz durchaus Nächte, in denen die meisten ganz froh sein dürften, dass die Kameras schwarz bleiben. Zum Beispiel bei den „Cruise“- und „Playground“-Partys, die sich vor allem an ein queeres Publikum richten und bei denen jeder Grad an Bekleidung akzeptiert wird: von angezogen über halb nackt bis ganz nackt. An den meisten Abenden ist im Blitz jedoch gewöhnlicher Clubbetrieb – indes mit exzellenter Soundanlage, an der sich vor allem Freundinnen und Freunde von hartem Techno erfreuen.
Es herrscht zwar große Toleranz gegenüber Lederharnischen und Netzoberteilen – eine Sache geht im Blitz allerdings gar nicht: Pelz. Wer damit an der Tür erscheint, erhält definitiv keinen Einlass. Entsprechend sortiert sich auch das Publikum, das tendenziell hip und jung ist.
Die Partys im Blitz können durchaus länger gehen, das offizielle Ende der meisten Veranstaltungen ist acht Uhr morgens. Viele Leute kommen aber deutlich früher, und zwar ungefähr dann, wenn die Main Acts spielen, in der Regel also gegen zwei Uhr morgens.
Mal hieß er New York New York, dann New York Club und heute eben NY.Club – fest steht jedenfalls: Der einzige reine Schwulenclub Münchens ist eine Institution im Nachtleben der Stadt. Und wer auf der Suche nach einer ausgefallenen Party ist, kommt nicht um ihn herum.
Das wusste bereits Freddie Mercury in den frühen 80er-Jahren, in den 90er-Jahren fanden hier außerdem die ersten größeren After Hours statt. Heute ist vor allem der Freitag beliebt, dann findet die Partyreihe „Luxuspop“ statt, die bei den „Munich Nightlife Awards“ mehrmals zur besten Party der Stadt gekürt wurde und ein junges Publikum anzieht.
Der Club ist meistens gut besucht, auf der Tanzfläche geht es dann fast so kuschelig wie im obligatorischen Darkroom zu. Hin und wieder finden auch Veranstaltungen statt, die sich ausschließlich an Männer richten und an denen kostümierte und nackte Gäste gerne gesehen sind – letztere sparen sich für den Mangel an Bekleidung sogar den Eintritt.
Das Angebot des Clubs richtet sich hauptsächlich an die LGBTQI+ Community mit besonderem Fokus auf schwule Männer. Allerdings findet auch regelmäßig die Partyreihe „Amazonas“ statt, die sich an alle Geschlechter und sexuelle Präferenzen richtet. Am besten, man schaut vorher nach, was am jeweiligen Abend stattfindet.
Weil der NY.Club mit seinem Angebot kaum Konkurrenz hat, trudelt hier auch schon zu früherer Stunde das gut gelaunte Partyvolk ein. Geschlossen wird irgendwann zwischen fünf und sieben Uhr.
Wie heißt es immer? Lage, Lage, Lage! Die Gruam punktet in dieser Hinsicht gleich mehrfach: Sie liegt an der vielspurigen Kreuzung Thalkirchnerstraße und Lagerhausstraße, in einem Meer aus grauem Beton, angeschmiegt an eine Eisenbahnbrücke. Kurzum: Der kleine, bunt besprühte Laden verfügt über den (in einer Großstadt nicht zu verachtenden) Standortvorteil, dort zu sein, wo niemand sonst ist. Vor allem keine Anwohner, die sich über lärmende Gäste beschweren. Entsprechend ausgelassen geht es hier zu, oft wird bis zum Morgengrauen gefeiert und getrunken.
Die zwei Handvoll Quadratmeter große Gruam als Club zu bezeichnen, wäre aber übertrieben. Dafür ist es einfach zu eng zum Tanzen. Dennoch ist der Laden sein eigener Kosmos: Eine Mischung aus Boazn und Club, wo man sich trotz Platzmangels den Raum für Mischpult und DJ leistet. Die Kneipe existiert an diesem Ort bereits seit mehr als 30 Jahren und hat so einiges erlebt. Als Sendling noch ein raueres Pflaster war, kam es angeblich häufiger vor, dass zum Baseballschläger unter der Bar gegriffen werden musste. Heute geht es deutlich harmonischer, dank guter Musik und einem entspannten Publikum aber mindestens so gesellig zu.
Fans der gepflegten Halben, die gleichzeitig Wert auf sorgfältig ausgewählte Musik legen. Gespielt wird elektronische Musik und Reggae – letzteren bekommt man in München gar nicht so häufig zu hören.
Die Gruam ist meist Endstation einer langen Nacht, aber eigentlich ist es nicht so wichtig, zu welcher Uhrzeit man kommt. Denn angesichts der überschaubaren Größe des Gastraumes gilt hier ein Spruch von Andy Warhol: „One’s company, two’s a crowd, and three’s a party!“
Zur Gruam, Thalkirchnerstraße 114
Das Import Export entstand 2010 im Rahmen eines Projekts der Münchner Kammerspiele. Vier Jahre später zog es vom Bahnhofsviertel in das Kreativquartier an der Dachauer Straße. Dort hat das „soziokulturelle, urbane Bürgerhaus“ seine wahre Heimat gefunden – denn wo „kreativ“ draufsteht, ist dank dem Import Export auch wirklich Kreativität drin. In der ehemaligen
Schlosserei finden Konzerte, Partys, Lesereihen, Diskussionen, Theaterstücke und Workshops statt. Dabei ist das Import Export in erster Linie ein Freiraum: Hier darf ohne Angst vor dem Scheitern experimentiert werden. Entsprechend ungewöhnlich sieht das Programm aus.
Eine Musikerin, die Songs über Pilze präsentiert, zum Beispiel ihr Stück „Erschöpfttintling“, das sie auf dem Rücken liegend spielt. Bei der Eventreihe „Eksotik Meksotik“ spielen Bands Tanzmusik aus Regionen östlich und südöstlich von Europa – zu hören gibt es dann Genres wie Kurdischer Halay, Gazinomüzik und Arabesk, Anatolian oder Arabian Psychedelia. Im Anschluss an die Konzerte finden häufig auch Partys statt, bei denen bis zu später Stunde aufgelegt wird. Im Sommer ist ein besonders beliebtes Veranstaltungsformat das „Turn Table Tennis“, bei dem im Innenhof Tischtennis gespielt wird, während sich junge DJs an den Plattenspielern ausprobieren dürfen.
Alle, die ihren Horizont erweitern und aktiv das Stadtgeschehen mitgestalten wollen. Hohe Dichte an Gästen aus der Kunst-, Musik- und Kreativ-Szene.
Die Veranstaltungen im Import Export folgen einem Programmkalender, teilweise ist es auch ratsam, frühzeitig Tickets zu organisieren. Aber auch wenn gerade keine Veranstaltung stattfindet, steht die Tür im Import Export immer offen.
Import Export, Schwere-Reiter-Straße 2h
Noch in den 90er-Jahren war es ganz normal, mit der S-Bahn stadtauswärts zu fahren, um feiern zu gehen. Der Grund: die strenge Sperrstunde, die damals noch im Stadtgebiet herrschte. Mit ihrem Wegfall zogen die Clubs um – seitdem ist Münchens Partyvolk fast ausschließlich in der Stadt unterwegs. Doch seit ein paar Jahren gibt es Bewegung in der Sache, haben sich die Ströme der Feiernden zumindest teilweise wieder gedreht.
Dafür verantwortlich sind junge Initiativen wie der Starnberger Verein „Feta Records“. Seit 2016 organisieren sie das „Feta Morgana Festival“ auf einem Wald- und Wiesengrundstück in Landstetten, zwischen Starnberger See und Ammersee. Fast ein Jahr lang arbeitet das Team an der Organisation des zweitägigen Festivals, bei dem natürlich viel getanzt wird, aber noch viel mehr geboten ist: Auf einer Waldlichtung wird eine kleine Stadt aus Holz errichtet, mit Essensständen, Kunst- und Lichtinstallationen, Livemalerei, Zaubereinlagen, Tanzperformances und Artistik.
Aber auch, wenn man das Festival verpassen sollte, lohnt es sich, dem Treiben von Feta Records zu folgen. Aktuell arbeiten sie daran, ein verlassenes Wirtshaus zu übernehmen, um dort ein Kreativzentrum mit Open-Air-Kino und Dancefloor einzurichten. Aber auch sonst organisieren sie regelmäßig Veranstaltungen, etwa im Harry Klein oder in der Roten Sonne. Letztere sind die perfekte Gelegenheit, um erste Kontakte zu knüpfen und sich erzählen zu lassen, worauf man sich beim Feta Morgana Festival freuen darf.
Die Starnberger sowieso, aber auch alle Münchner, die ein Herz für Subkultur haben.
So früh wie möglich! Schließlich möchte man keine der beeindruckenden Performances verpassen (und ausreichend Zeit zum Tanzen braucht man ja auch noch).