Alex Best wurde in New York geboren und lebte in Brooklyn, bis ihn ein Jobangebot nach München brachte. 1993 eröffnete er die Bar Mister B’s, Münchens kleinstes Jazzlokal. Ein Gespräch über seine Anfänge in München, die eigene Lebensphilosophie und, natürlich, die Liebe zu einem ganz besonderen Musikgenre.
Alex Best lebt Jazz. Der geborene New Yorker betreibt seit 26 Jahren den kleinsten Jazzclub der Stadt, Mister B's. Immer schick gekleidet, oft im Anzug mit passender Weste, bietet der Gastronom neben den Musiker*innen seine ganz eigene One-Man-Show – er mixt alle Drinks, sein Diplom der American Bartenders School hängt an der Wand hinter dem Tresen, er bedient die Gäste, bucht die Musiker und betreibt somit den 20 Quadratmeter großen Laden am Goetheplatz alleine.
Ich kenne das gemütliche Lokal mit den drei Tischen und Barhockern nur vollbesetzt, bei Live-Auftritten stehen manche Gäste im Eingangsbereich oder Türrahmen. Jetzt ist der kleine Raum leer und Alex Best, heute im gestärkten Hemd mit weißer Krawatte und schwarzer Weste, verräumt seelenruhig ein paar Flaschen, bevor er in einer Stunde die Tür öffnen wird.
Alex, ich fliege bald beruflich nach New York. Kannst du mir einen guten Jazzclub empfehlen?
Das ist schwierig. Es gibt so viele Jazz-Bars und kulturelle Angebote – alles ist da. Das Problem ist aber auch, dass das, was heute angesagt ist, morgen schon nicht mehr existiert. That’s New York. Ich rate dir, die Jazz-Jam-Sessions in Brooklyn zu besuchen. Der Eintritt kostet nur fünf Dollar und du kannst tolle Musiker hören.
Hat dich die Musik beim Aufwachsen in Brooklyn begleitet?
Ich habe immer viel Musik gehört, doch Jazz kam erst später dazu. Es war lange Zeit für mich lediglich die Musik, die im Hintergrund läuft und für Entspannung sorgt. Bis die Menschen in mein Leben traten, die eine Ahnung von Musik hatten und mir Platten reichten mit den Worten: „Hör dir das mal an!“ Das war so mit achtzehn, da hörte ich dann Miles Davis, Ella Fitzgerald, John Coltrane. Da hat es Boom gemacht, mit dem Jazz und mir. (lacht)
„Im Jazz liegt so viel Bedeutung. Viele der Songs sind in harten Zeiten entstanden und das hört man. Deshalb wurde das Genre meine Number One, und ist es bis heute.“
Hast du eine prägende Erinnerung an diesen Boom-Effekt?
Oh ja, als ich die Musiker in der U-Bahn und in den Straßen New Yorks gehört habe. Und als ich die Bedeutung der Songs verstand. Ich hatte zuvor nur Funk, Rock, Soul gehört. Alles, was cool war und in den Discos gespielt wurde. Aber im Jazz liegt so viel Bedeutung. Viele der Songs sind in harten Zeiten entstanden und das hört man. Deshalb wurde das Genre meine Number One, und ist es bis heute.
Du bist nach München gekommen, um beim amerikanischen Konsulat zu arbeiten. Warum bist du schließlich in die Gastronomie gewechselt?
Irgendwann kam die Frage auf, ob ich zurück nach Amerika gehe oder in München bleibe. Ich wollte bleiben, aber was Neues ausprobieren. Mein eigenes Ding machen. Die Gastronomie war eigentlich gar nicht in meinem Repertoire. Aber wenn ich selbst ausgegangen bin, habe ich manchmal einen Ort vermisst, an dem es keine Türsteher gibt, die entscheiden, ob du reinkommst oder nicht. Und manchmal wirst du komisch angeschaut, wenn du nur ein Wasser oder einen Kaffee bestellst statt Alkohol. Also dachte ich mir, dass ich selbst den Raum schaffe, den ich mir wünsche.
Was macht Mister B’s aus?
Hier ist jeder willkommen. Eine Bar, in der die Menschlichkeit an erster Stelle steht. Bei mir gelten keine Statussymbole, es geht ausschließlich darum, gemeinsam einen schönen Abend zu verbringen und sich gegenseitig zu respektieren. In meinem persönlichen Wörterbuch gibt es auch den Begriff des Stammgasts nicht. Das Ding ist, dass Leute, die regelmäßig kommen, schnell denken, sie würden dann bevorzugt werden. Aber Gast ist Gast, ganz unabhängig davon, ob ich sie kenne und mich freue, sie regelmäßig zu sehen.
Kannst du dich noch an den Eröffnungsabend deines Lokals erinnern?
Oh ja. Der war sehr interessant. Viele haben gesagt, dass sich die Bar nicht lange halten würde, dass die Musik niemand hören wollen würde. Ich meinte nur: „Na, wenn ihr das sagt ...“.
„Irgendwann hieß es plötzlich überall: 'Hey, du musst dir mal diese kleine Bar anschauen. Da ist ein Mann, der super Jazzmusiker spielen lässt und nur acht Mark Eintritt nimmt!'“
Gab es damals schon Livemusik?
Ja, von Anfang an immer Donnerstag, Freitag und Samstag. Aber noch nicht mit so vielen Musikern – am Anfang bin ich mit jeweils zwei Leuten gestartet, das hat sich dann über die Zeit erst richtig etabliert.
Wie wählst du die Musiker*innen aus?
Die wählen mich aus. Entweder sind sie selbst Gäste oder kommen einfach vorbei und fragen, ob sie spielen dürfen. Am Anfang spielten nur amerikanische Künstler und die Bar galt als Geheimtipp, obwohl ich das selbst gar nicht so empfand. Das Einzugsgebiet war groß, die Gäste und Musiker kamen aus Nürnberg, Berchtesgaden, Stuttgart – es dauerte ein paar Jahre, bis die Münchner selbst kamen. Als ein Redakteur von Bayern 3 vorbeischaute, fragte er mich, ob er eine Dokumentation über mich drehen dürfe. Danach hieß es plötzlich überall: „Hey, du musst dir mal diese kleine Bar anschauen. Da ist ein Mann, der super Jazzmusiker spielen lässt und nur acht Mark Eintritt nimmt!“
Welche Erinnerung kommt dir in den Kopf, wenn du die Jahre Revue passieren lässt?
An einem Abend kam die Lehrerin einer Schule für behinderte Kinder vorbei. Sie war mit einer Klasse gerade im Kino gewesen und hatte überlegt, wo sie im Anschluss noch hingehen könnten. So sind sie bei mir gelandet und haben den ganzen Abend getanzt und gelacht. Die Lehrerin war so glücklich, dass alle eine gute Zeit hatten und die Kinder haben mich umarmt und gefragt, ob sie wieder kommen können. Da waren auch Jazzliebhaber dabei, einer wollte was von Dave Brubeck hören. Es war eine ganz herzliche, warme Energie.
Wo gehst du selbst in München gerne hin?
Ins Bett. (lacht)
Ich bin oft zu kaputt, um noch woanders hinzugehen. Ich kümmere mich darum, die Balance zu halten, damit es mir selbst gut geht. Manchmal gehe ich einfach spazieren und lasse mich treiben, ohne einen Plan zu haben.
Vermisst du New York?
Nein. Meine Theorie ist simpel. Wenn du den Ort vermisst, an dem du geboren wurdest, solltest du zurückgehen. Du kannst keinen anderen Ort genießen, wenn du nur zur Hälfte anwesend bist. Wenn ich etwas vermisse, dann frage ich mich warum. Und wenn jemand sagt, dass er mich vermisst, sage ich: „Dann komm her!“ Ich denke, das ist fair. (lacht)
Es klingt zumindest sehr einfach, wenn du es so formulierst.
Wir machen alles so kompliziert, weil wir in einer stressigen Umwelt leben. Durch den Druck von außen machen wir uns vieles schwer. Aber die Frage ist doch: Was macht mich glücklich?
Und was macht dich glücklich, Alex?
Zwei Dinge sind dafür wichtig: Respekt und Selbstliebe. Wenn du das für dich umsetzt und nach außen trägst, nimmst du es mit von Ort zu Ort. Kein schlechtes Investment, oder? Es kostet nichts, nett zu sein. Deshalb ist mein Lokal ein Ort zum Wohlfühlen. Und ich sage immer: A man with a smile is a man with style!
Mehr zum Jazzlokal Mister B’s gibt es hier.