München ist geprägt von außergewöhnlichen Frauen. Wir stellen einige von ihnen vor. Dieses Mal: Gudrun Spielvogel. Als Galeristin und Vorstand der Initiative Münchner Galerien beobachtet sie Münchens Kunstszene seit Jahrzehnten. Hier stellt sie Frauen vor, die die Münchner Kunst prägten, heute gestalten und erst möglich machen.
„Denkt man an den ,Blauen Reiter‘, fällt einem sofort Franz Marcs berühmtes Gemälde ,Blaues Pferd I.‘ ein, das fast schon ikonenhafte Bild eines blauen Pferdes vor bunten Hügeln. Oder Wassily Kandinskys Werk ,Impressionen III‘, eine abstrakte Wiedergabe eines Konzerts, das der Maler besucht hatte. Zwischen Marcs bunten Tieren und Kandinskys schemenhaften Momentaufnahmen steht das Werk von Gabriele Münter. Die Berliner Künstlerin zog 1901 nach München und wurde Teil der berühmten expressionistischen Künstlervereinigung. Wie Kandinsky und Marc arbeitete Münter mit Farbe. Ihre expressionistischen Landschaften, Stillleben und Porträts sind radikale Reduktionen mit leuchtenden Farbflächen. Das Wesen hinter den Darstellungen wird sichtbar, aber die Form löst sich nicht völlig auf. Münter konnte Zeit ihres Lebens nicht aus dem Schatten Kandinskys, dessen Partnerin sie war, treten. Erst lange nach ihrem Tod wurde sie als eigenständige Künstlerin wahrgenommen. Man kann einfach nur den Hut ziehen vor Gabriele Münter. Sie weigerte sich, hinter die Männer ihrer Zeit zurückzutreten und nur Pinsel auszuwaschen. Sie hatte das Selbstbewusstsein, zu malen und eigenständig zu gestalten – das war damals keine Selbstverständlichkeit. Später rettete sie Kandinskys Werke vor den Nazis. Bis heute ist sie ein Vorbild.“
Gabriele Münter in München entdecken: Städtische Galerie im Lenbachhaus: ständige Sammlung „Der Blaue Reiter“
„Man kann es sich als Kurator am Lenbachhaus leicht machen, indem man einfach noch eine Münter-Ausstellung macht oder einen anderen großen Namen beleuchtet, der garantiert Besuchermassen anzieht. Oder man macht es wie Eva Huttenlauch und Stephanie Weber: Die beiden Kuratorinnen konzipierten die Ausstellungsreihe ,Favoriten: Neue Kunst aus München‘. Ziel der Reihe ist es, die Gegenwartskunst der Stadt zu beleuchten, sie zu unterstützen und vor allem einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Für die dritte Folge „Favoriten III“, die 2016 im Lenbachhaus gezeigt wurde, wählten die beiden zwölf Künstlerinnen und Künstler verschiedener Generationen aus, eine Art Querschnitt der jungen lokalen Kunstszene Münchens. So ein Projekt auf die Beine zu stellen, erfordert viel Courage, vor allem aber auch eine große und breite Kenntnis: Neben kunsthistorischer Expertise braucht es auch politisches, gesellschaftliches und interdisziplinäres Wissen. Und natürlich muss man die jungen Künstlerinnen und Künstler der Stadt kennen, die Talente aus den Akademien einschätzen – und bereit sein, sich festzulegen. Die Arbeit der beiden Frauen ist ein Bekenntnis zur jungen Künstlergeneration und nicht zuletzt zu München.“
Eva Huttenlauch und Stephanie Weber in München entdecken: Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau: Ausstellung „I’m A Believer. Pop Art und Gegenwartskunst aus dem Lenbachhaus und der Kico Stiftung“, kuratiert von Eva Huttenlauch und Matthias Mühling.
„Vergangenen Mai stellte Betty Mü auf der Kunstmesse Artmuc ihr Werk ,Bliss‘ aus: Eine Komposition aus Objekten, Klängen und Bildern. Eine Art lebendiges Bild aus runden Platten, Spiegeln, Kristallkugeln und Pflanzen, auf die Unterwasserszenen und Meeresbilder projiziert wurden, dazu mystisch-digitale Klänge, die auf das Publikum reagierten. Ein außergewöhnliches Gesamterlebnis – ein Schrein der Glückseligkeit. Überhaupt kann man sagen, dass Betty Mü eine Künstlerin ist, deren Arbeiten immer eine gewisse Heiterkeit ausstrahlen. Sie sagt selbst von sich, dass sie mit ihren Video-Installationen den Fokus auf die schönen Dinge setzen will. Das finde ich charmant und wichtig in der Kopfwelt der Künstler. Betty wuchs in den Siebzigerjahren in Schwabing auf, es zog sie aber schon früh nach New York, wo sie an der School of Visual Arts in New York City studiert. Dort fing sie auch an, mit Super-8-Kameras zu experimentieren. Zurück in München machte sie sich zunächst mit Visuals für Clubs wie dem Harry Klein einen Namen. Heute bestrahlt sie zum 150. Geburtstag des Gärtnerplatztheaters die Fassade mit Szenen aus dessen Geschichte oder inszeniert Schmuckstücke mit überdimensionalen Makroaufnahmen auf dem Mode-Catwalk. Ihre Installationen sind immer fantastisch und leicht – fast schon märchenhaft.“
Betty Mü in München entdecken: Sport Schuster: Im neuen zweiten Haus des Sportartikelgeschäfts wurden zwei feste Videoinstallationen eingebaut. Eine Arbeit ist eine Version ihres beliebten Werks „Salon der Vielfältigkeit“.
„Ingvild Goetz ist eine der sympathischsten und intensivsten Kunstfrauen, die wir in München haben. Bekannt ist sie vor allem für ihre Kunstsammlung, die eine der größten Deutschlands ist: Sie schenkte dem Land Bayern das Museumsgebäude der Sammlung Brandhorst sowie 375 Medienarbeiten; sie stellt der Pinakothek der Moderne, dem Haus der Kunst und dem Neuen Museum Nürnberg 5000 Sammlungsstücke als Dauerleihgabe zur Verfügung; und sie unterstützt viele wohltätige Organisationen. Ingvild Goetz kam 1973 nach München und eröffnete ihre Galerie ,art in progress‘. Als Sammlerin war sie ihrer Zeit immer voraus: Bis heute ist ihr Empfinden für aktuelle, auch junge, unbekannte Künstler untrüglich. Dabei ging es ihr nie darum, ihre eigene Person durch Kunst aufzuwerten. Nein, sie geht einfach mit einer großen Begeisterung für die Kunst per se an die Sache ran. Das ist etwas, das ich sehr schätze. Ich kenne keine Frau, die mit einem solchen Mut Kunst ausgestellt, gesammelt und wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat. Mit ihr leuchtet München Stück mehr.“
Ingvild Goetz in München entdecken: Haus der Kunst: Ausstellung „Nachts. Zwischen Traum und Wirklichkeit – Sammlung Goetz im Haus der Kunst“, 12.07.2019 bis 06.01.2020 (Die Sammlung Goetz ist derzeit wegen Umbauarbeiten geschlossen)
„Sabine Knust hat die internationalen Stars nach München gebracht: In ihrer Galerie in der Maximilianstraße, die sie 1982 eröffnete, stellte sie unter anderem John Baldessari, Richard Prince und Andy Warhol aus. Aber auch deutsche Künstler wie Eberhard Havekost, Jörg Immendorf, A.R. Penck, Daniel Richter und Katharina Sieverding holte sie nach München. Keine Frage, Sabine Knust hat es geschafft, sich in einer Branche zu behaupten, die bis weit in die Sechzigerjahre komplett von Männern dominiert wurde. Angefangen hat die studierte Juristin in der Galerie „Heiner Friedrich“. Schon dort traf sie auf Leute wie Georg Baselitz, Blinky Palermo und Dan Flavin – und legte vermutlich die Scheu vor großen Namen ab. Heute ist ihre Galerie, die mittlerweile in der Ludwigstraße schräg gegenüber von Charles Schumanns Bar liegt, eine Institution, und ihr Kunstverlag gehört international zu den wichtigsten. Sie selbst arbeitet seit vielen Jahren mit dem jüngeren Matthias Kunz, der auch den Verlag übernehmen wird. Das bedeutet, dass sie vorausschauend genug ist, um einen Nachfolger einzuarbeiten, und dass sie fähig ist, im Team zu arbeiten. Sie hat eine Qualität, die nicht viele in dieser Branche haben: die Fähigkeit zu teilen.“
Sabine Knust in München entdecken: Die aktuellen Ausstellungen von Sabine Knust finden Sie unter www.sabineknust.com
Fragebogen: Was ist einzigartig an München, Frau Spielvogel?