Wir haben vier Mitglieder des größten Orchesters in München nach ihren Instrumenten gefragt. Hier erfahren Sie mehr über die Münchner Philharmonikerin Teresa Zimmermann, ihren Weg zur Harfe und wie man das Harfenspiel auf einem Tennisschläger üben kann.
„Ein bisschen vorbelastet war ich natürlich schon. Meine Eltern sind Pianisten, bereits mit vier Jahren bin ich für die musikalische Früherziehung an die Musikschule Hannover gegangen. Dort wurden von anderen Kindern alle möglichen Instrumente vorgestellt, und ich habe mich sofort in eine kleine irische Harfe verliebt, die ein Mädchen gespielt hat. So euphorisch ich war, so wenig begeistert waren meine Eltern. Sie drängten mich zum Klavier. Aber offenbar war ich so hartnäckig, dass die Musikschullehrerin drei Mal bei meinen Eltern anrief, bis die endlich weich wurden. Die Harfe wurde mit den Jahren dann natürlich größer und schwerer. Eine Orchesterharfe ist mit so einer irischen Harfe kaum noch vergleichbar. Meine Eltern mussten sich sogar einen Kombi anschaffen, um das Monstrum zu transportieren. Den Klang der Harfe mochte ich immer sehr, man erzeugt den Ton ganz unmittelbar, in dem man die Saite anzupft.
Wann immer ein Einweckglas zu öffnen ist, das niemand aufkriegt – man fragt den Harfenisten, der schafft es.
Es gibt natürlich auch Nachteile: Ich muss grundsätzlich sehr auf meine Finger aufpassen, die Fingerkuppen sind empfindlich und müssen eine Hornhaut bilden. Auch beim Kontakt mit Wasser muss man vorsichtig sein, dass die Fingerkuppen nicht aufgeweicht werden. Ich spüle immer mit Handschuhen mein Geschirr und hatte schon sehr früh eine Spülmaschine, vor einem Konzert kann ich nicht zum Schwimmen gehen. So empfindlich man als Harfenistin einerseits ist, in Bezug auf die Fingerkuppen, so kräftig müssen die Hände andererseits ausgebildet sein, um das Instrument zu beherrschen. Harfenisten haben die kräftigsten Hände im Orchester. Wann immer ein Einweckglas zu öffnen ist, das niemand aufkriegt – man fragt den Harfenisten, der schafft es.
Mich wundert es, dass so wenige Männer Harfe spielen, auf 1000 Frauen kommt vielleicht ein Mann. Dabei hätten die Männer große Vorteile aufgrund ihrer natürlichen Physis. Je nachdem, mit wie viel Gewicht man die Saite drückt, gestaltet man den Klang. Die wenigen Jungs, die sich über die Klischees von Harfen und Engelchen hinwegsetzen: Von denen spielen viele auf sehr hohem Niveau. Von den physischen Herausforderungen ahnt man kaum etwas, wenn man als Fünfjährige auf der irischen Harfe klimpert. Heute merke ich, wenn ich zwei Wochen nicht spiele, dann schmerzt es, wenn es wieder losgeht, und ich habe Blutblasen an den Fingern. Anfangs fühlt sich die Harfe dann an wie ein Nagelbrett, es tut richtig weh. Manche Kolleginnen üben im Urlaub ersatzweise mit einem Tennisschläger, indem sie dessen Bespannung als Saitenersatz benutzen, um die Fingermuskulatur zu erhalten. Man bleibt insgesamt körperlich sehr fit mit diesem Instrument. Auf den Saiten liegen mehrere Tonnen Spannung, die wollen bewegt werden. Trotzdem braucht man, wie die meisten Musiker, auch Ausgleichssport; man hat die Harfe immer auf der rechten Seite, und so muss man Fehlstellungen des Körpers frühzeitig entgegenwirken. Deshalb ist auch eine korrekte Sitzhaltung so wichtig. Man probt ja meist mehrere Stunden, und da können kleine Schieflagen am Ende zu großen Problemen führen.
Die meisten Orchester haben nur eine Harfen-Stelle, und so muss man oft lange warten, bis einer abtritt. Derzeit etwa gibt es keine einzige freie Stelle weltweit. Auch bei den Münchner Philharmonikern, wo ich jetzt arbeite, gab es viele Bewerber. Ich freue mich, dass sich unser Chefdirigent Valery Gergiev mit der Harfe so gut auskennt. Gergiev möchte die Harfe immer sehr präsent haben, er weiß um die Bedeutung des Instruments im symphonischen Zusammenhang. Es gibt da übrigens auch große Unterschiede bei den Komponisten. Gerne spiele ich Stücke von den französischen Impressionisten Maurice Ravel und Claude Debussy – die kannten sich am besten mit der Harfe aus.“
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