Das Bahnhofsviertel wird von den Münchnern oft auch liebevoll „Little Istanbul" genannt – aber die Landwehrstraße kann noch mehr als türkische Supermärkte und orientalische Barber-Shops. Eine kleine Weltreise vom kroatischen Imbiss bis zum französischen Fotoladen!
Es ist kein Zufall, dass die Straßen um den Münchner Hauptbahnhof zum multikulturellen Viertel wurden: Die Entwicklung begann in den späten 70er-Jahren, als viele Gastarbeiter mit dem Zug ankamen. Seitdem hat sich Einiges verändert und heute kann man guten Gewissens sagen: Es gibt nichts, was es nicht gibt. Jede Nationalität und Glaubensrichtung findet im Bahnhofsviertel ihr Zuhause.
Völlig Gegensätzliches lebt hier in friedlicher Koexistenz. Das Deutsche Theater befindet sich gegenüber eines Striplokals, die türkische Fahrschule neben einer Werbeagentur. Die Landwehrstraße gehört zu dem Viertel, das die Münchner liebevoll „Little Istanbul“ nennen, gleicht allerdings eher einer „Little Weltreise“: Von Kroatien geht es nach Afghanistan, von Frankreich bis nach Asien.
Hinter jeder Ladentür wird eine andere Sprache gesprochen. Über die Hälfte der Menschen im Bahnhofsviertel haben Migrationshintergrund. Gleichzeitig ist die Straße aber auch sehr Münchnerisch, denn es finden sich noch ein paar echte Traditionsgeschäfte und sie verbindet schließlich auch den Hauptbahnhof mit dem Oktoberfest.
Wie können wir mit den Menschen in der Landwehrstraße in Kontakt kommen? Das geht eigentlich nirgendwo so einfach wie beim Friseur. Wir spazieren also in den nächstenbesten Barber-Shop, in dem sich unser Fotograf die Haare schneiden lässt. Bei arabischem Tee lerne ich den jungen Mann kennen, der erst seit sechs Monaten in München arbeitet: Yahia wohnt in Landshut und pendelt jeden Tag in die bayerische Landeshauptstadt. Auch dafür ist das Bahnhofsviertel besonders praktisch: Da er mitten in der Stadt ankommt, braucht er nicht einmal eine Stunde zur Arbeit.
Der 22-Jährige erzählt: „Mein Papa war auch Friseur, er hatte einen Salon in Syrien. Unsere Familie musste dann fliehen, ich bin vor fünf Jahren nach Deutschland gekommen.“ Im Mister Cutts schneidet Yahia vielen Stammkunden die Haare, einige von ihnen sprechen Deutsch mit ihm – das hilft natürlich, um die eigenen Sprachkenntnisse zu verbessern, erzählt er. Heute ist die Landwehrstraße trotz gutem Wetter beinahe leer. Yahia erklärt uns, dass gerade das Islamische Opferfest stattfindet – deshalb sei so wenig los.
Heute ist die Landwehrstraße trotz gutem Wetter beinahe leer. Yahia erklärt uns, dass gerade das Islamische Opferfest stattfindet – deshalb sei so wenig los.
Er fühlt sich wohl in der Landwehrstraße, ganz besonders an solchen muslimischen Feiertagen, an denen vergleichsweise wenige Menschen unterwegs sind: „Ich möchte hier zwar nicht wohnen, aber zum Arbeiten liegt es sehr gut und zentral.“ Yahia schätzt die vielen verschieden Möglichkeiten in der Straße, ob zum Einkaufen oder zum Essen gehen: „Man bekommt hier alles – gegenüber gibt es zwei gute Restaurants, eines auch mit syrischem Essen!“
Einer, der sich besonders gut mit Essen auskennt, ist Fernando vom Foodblog Auf die Faust. Seit drei Jahren wohnt er in der Landwehrstraße und hat mittlerweile fast jeden Imbiss und Supermarkt ausprobiert. Am spannendsten findet er die vielen kleinen Läden mit ihren exotischen Lebensmitteln, die man nicht überall bekommt – wie zum Beispiel Kochbananen. Fernando hat mexikanische Wurzeln und kann sich eigentlich für jede Küche der Welt begeistern.
Foodblogger Fernando wohnt seit drei Jahren in der Landwehrstraße und hat mittlerweile fast jeden Imbiss und Supermarkt ausprobiert.
Wir spazieren mit ihm zum Verdi Supermarkt, hier geht er fast täglich einkaufen. Zum einen fasziniert ihn die große Gemüseecke, zum anderen gibt es hier einen fantastischen Döner, erzählt er uns: „Für mich der beste Döner der Stadt, weil er der ehrlichste ist. Was selbst viele Münchner nicht wissen: Im Hinterhof vom Verdi wird Obst und Gemüse kistenweise zu kleinen Preisen verkauft.“ Perfekt für alle, die gleich mal ein ganzes Kilo Kirschen möchten.
Ein paar weitere Geheimtipps in Sachen Kulinarik hat Fernando noch für uns: Im afghanischen Restaurant Hindukush bekommt man super Lavash-Brot für nur 40 Cent – perfekt, wenn man zuhause eine orientalische Brotzeit plant. „Außerdem feiern alle meine kroatischen Freunde den Sarajevo-Imbiss, hier gibt's wohl die besten Cevapcici. Auch gut ist der Sara Grill mit seinen beliebten Spießen aus Lamm- oder Kalbsfleisch.“ Leider sind wir noch total satt vom Döner, sonst würden wir dort sofort vorbeischauen.
Nicht nur, dass man super essen und einkaufen kann, die Landwehrstraße verbindet auch das hippe Westend mit der Innenstadt – mit dem Fahrrad ist man von hier aus schnell überall.
Fernando schwärmt: „Die Landwehrstraße ist für mich als Münchner wie ein kleiner Urlaub, weil man fast kein Deutsch hört“. Er fühlt sich pudelwohl im Bahnhofsviertel und ist froh, genau hier eine Wohnung gefunden zu haben. Nicht nur, dass man super essen und einkaufen kann, die Landwehrstraße verbindet auch das hippe Westend mit der Innenstadt – mit dem Fahrrad ist man von hier aus schnell überall. Fernando ist Art Director und hat eigentlich immer seine Kamera dabei, wenn er durch die Landwehrstraße spaziert – so viel gibt es zu Entdecken und Beobachten.
Nicht nur kulinarisch geht es bunt zu, auch abseits davon ist die Vielfalt groß: Gleich am Anfang der Landwehrstraße repariert der Franzose Gerard Wiener in seinem Laden (Hausnummer 12) schon seit Jahrzehnte alte Kameras. Er besitzt jedes Objektiv und jedes Ersatzteil, das man sich nur vorstellen kann. Das größere Wunder ist aber, dass der über 80-Jährige auch jedes davon findet, denn sein Laden ist ein echtes Sammelsurium. Im Hintergrund läuft französisches Radio – man fühlt sich im Foto Wiener nicht nur wie in einem anderen Land, sondern auch wie in einer anderen Zeit.
Falls der Kameraladen noch geschlossen hat, was häufiger passiert, weil Gerard seine Mittagspausen französisch-flexibel hält, kann man nebenan die wunderschönen Lampen im Schaufenster von Werner & Söhne bestaunen. In dem Laden werden antike Modelle wie die Florentinerleuchte angeboten, in den hauseigenen Werkstätten darüber sogar eigene Lampenschirme oder auch Modelle auf Kundenwunsch hergestellt. Ein echter Münchner Familienbetrieb, den es mittlerweile seit über 50 Jahren gibt.
Die Hoteleröffnung ist ein riesen Kompliment an eine Straße in München, die vielleicht nicht für ihre Prachtbauten bekannt ist, dafür aber für mit ihrer Vielfalt besticht.
Gerade einmal seit wenigen Wochen hat dagegen das neue Aparthotel Schwan Locke eröffnet und besticht mit tollen Interior-Design und einem sehr jungen Konzept. Die geräumigen Apartments haben je eine eigene Küche und einen Balkon zum Innenhof. Ansonsten warten eine Co-Working-Lounge, eine schicke Bar und ein Café. Die englische Hotelmarke Locke hat damit ihr erstes Hotel auf dem europäischen Festland in der Landwehrstraße eröffnet – ein riesen Kompliment an eine Straße in München, die vielleicht nicht für ihre Prachtbauten bekannt ist, aber dafür für mit ihrer Vielfalt besticht.