Alle sieben Jahre treten die Münchner Schäffler mit ihrem historischen Tanz auf den öffentlichen Plätzen der Stadt auf. Der Reigentanz, den sie im roten Wams und schwarzen Bundhosen vorführen, folgt einer jahrhundertealten Choreografie. Was dem Publikum auch heute noch viel Freude bereitet, entstand im späten Mittelalter aus traurigem Anlass.
Ab Mitte des 14. Jahrhunderts brach die Pest auch in München immer wieder aus. Alles Wallfahrten in Richtung Kloster Andechs konnte nichts dagegen ausrichten. Die Seuche kostete in schweren Jahren bis zu einem Drittel der Bevölkerung das Leben.
Besonders schlimm tobte die Pest gegen Ende des 15. Jahrhunderts. 1517 schließlich, so erzählt man sich, fand sich erstmals die Gilde der Münchner Fassmacher (Schäffler) zusammen, um die leidgeprüfte Münchner Bevölkerung mit ihren Tanzvorführungen nach der Epidemie dazu zu ermuntern, sich auf die Straßen zu trauen, das Leben zu feiern und wieder zuversichtlicher in die Zukunft zu blicken. Eine Szene im berühmten Münchner Glockenspiel im Turm des Neuen Rathauses am Marienplatz lässt diese Episode aus der Stadtgeschichte täglich aufs Neue aufleben.
In der Folge legten die Schäffler ein Gelübde ab, das allerdings nur mündlich überliefert ist und für das es keine Belege gibt: Sollte die Pest nicht wieder auftreten, würden sie ihren Tanz alle sieben Jahre aufführen, um so an das glückliche Ende dieser schrecklichen Zeit zu erinnern. Diese Tradition wird bis zum heutigen Tag in München gelebt.
2026 ist es wieder soweit, dann werden die Schäffler über mehrere Wochen wieder auf öffentlichen Plätzen in München auftreten. Die Abfolge der verschiedenen Tanzfiguren mit sprechenden Namen wie „Laube“, „Kreuz“, „Schlange“ und „Krone“, wird von Musik begleitet. Mit dem Bayerischen Defiliermarsch beginnt und endet jeder Auftritt. Mindestens ein Kasperle befindet sich im Gefolge der Tänzer. Unversehens springt es in die Menge der Umherstehenden und verpasst den Leuten mit Farbe eine schwarze Nase. Niemand ärgert sich allzu sehr darüber, denn es soll Glück bringen.
2022 wichen die Schäffler ausnahmsweise von ihrem Sieben-Jahres-Rhytmus ab. Gegen Ende der Corona-Pandemie wollten sie ihrem Auftrag gemäß ein Stück Zuversicht in die gebeutelte Stadtgesellschaft zurückbringen.
Früher gehörten die Schäffler zu München wie die Brauereien, sie fertigten die Fässer, in denen das Bier in die Wirtschaften und in die weite Welt ausgeliefert wurde. Heute gibt es im Stadtgebiet noch genau eine Fassmacherei: die von Wilhelm Schmid in Laim. Damit ist Schmid auch dafür zuständig, die Tradition des Schäfflertanzes am Leben zu erhalten. Der Tanz ist nach wie vor Männersache. Seit Beginn des Brauchs eigentlich nur „echten“ Fassmachern vorbehalten, dürfen seit einigen Jahren auch Tänzer aus anderen Berufsgruppen teilnehmen. Denn die klassischen Handwerksberufe nehmen immer mehr ab und so fanden sich im Lauf der Zeit nicht mehr ausreichend Schäffler. In München organisiert der Fachverein der Schäffler den Tanz schon seit 1871.