Nein, damit ist nicht der Heimwerkermarkt in der Landsberger Straße gemeint, sondern Münchens Beitrag zum „Neuen Bauen“ in den 1920er Jahren.
Anlass für die Frage ist der 100. Geburtstag der berühmtesten Kunst- und Gestaltungsschule des 20. Jahrhunderts. Das 1919 in Weimar durch Walter Gropius gegründete Bauhaus gilt als Inbegriff der Moderne und als bedeutendster Anteil Deutschlands zur Architekturgeschichte.
Begeben wir uns auf Spurensuche: In der imponierenden Münchner Architekturkulisse der Zwanzigerjahre sind puristische kubische Stahlbetonbauten mit Flachdach und schlichter, nackter Putzfassade sowie Vorhangfassaden oder gläserne Ecken rar. Und das, obwohl der Deutsche Werkbund als fortschrittsbegeisterte Reformbewegung für zukunftsweisende Baukultur und Industriedesign am 5. Oktober 1907 in München gegründet wurde. Walter Gropius, der einen Teil seines Studiums ab 1903 an der Technischen Universität absolviert hat, holte mit Wassily Kandinsky und Paul Klee zwei Vorreiter der Münchner Avantgarde als Meister an die experimentelle Kreativschmiede.
Zudem wurden die Bauhausbücher ab 1925 im Albert Langen Verlag in München publiziert, dem Verlag des legendären Simplicissimus. Und kurzfristig war München beim Umzug des Bauhauses sogar als neuer Standort im Gespräch. Es gab sie, die besonderen Verbindungen, doch was ist davon im Stadtbild sichtbar?
Das Bauhaus propagierte die Einheit und Gleichstellung von Kunst und Handwerk unter der Königsdisziplin Architektur. Die liberale Ausrichtung mit sozialer Vision als gesellschaftsverändernde Kraft verhinderte allerdings die Akzeptanz der „Bauhaus-Moderne“: München war durch die soeben blutig niedergeschlagene Räterepublik traumatisiert. Nach 1919 pflegte man verstärkt eine bürgerlich-konservative Grundhaltung mit Hang zum Bewahren des Traditionellen. Eine Eigentümlichkeit, die als Ausdruck der Distanz zur Weimarer Republik gewertet werden kann und in die sogenannte Ordnungszelle Bayern mündete. Künstlerische Aufbruchstimmung mit einer radikal-revolutionären neuen Formensprache nach dem Vorbild der „bolschewistischen“ Bauhäusler? In München schwer zu etablieren.
Und doch findet sich „Neues Bauen“ in der Zwischenkriegsphase. Den einen Bauhaus-Stil hat es ohnehin nie gegeben. Er ist ein beliebtes Klischee. Bereits unter den Lehrern und Meisterschülern der ersten Generation entwickelten sich unterschiedliche Stilrichtungen.
In München erweist sich die sogenannte Bayerische Postbauschule unter Leitung von Robert Vorhoelzer als innovativer Vertreter der „Klassischen Moderne“. Zukunftsweisende Architektur mit großer Klarheit und Mut zum Weglassen. Beispiele dafür sind das das ehemalige Paketzustellamt in der Arnulfstraße (1925-26) mit seiner Stahlbeton-Rotunde, das Postgebäude am Goetheplatz (1931-32) mit seiner elegant geschwungenen Fassade oder die Versuchssiedlung des Post- und Telegraphenpersonals in Neuhausen (1928-29) mit ihrer ergonomischen, zum Wohnzimmer durch eine Glaswand getrennten neuartigen „Münchner Küche“.
Zukunftsweisende Architektur mit großer Klarheit und Mut zum Weglassen.
Der sogenannte Amerikanerblock am Steubenplatz (Entwurf: Otho Orlando Kurz, 1930) mit seinen markanten, gerundeten Eckbalkonen als Teil der neuen Siedlung Neuhausen (Gesamtplanung: Hans Döllgast, 1928-30) veranschaulicht die Moderne beim städtischen sozialen Wohnungsbau. Das Alte Technische Rathaus in der Blumenstraße (Entwurf und Planung: Hermann Leitenstorfer, 1927-29) wird als 12-geschossiges Stahlbetonskelett mit Rohziegelverkleidung und Paternosteraufzug ausgeführt. Es ist eines der frühesten Hochhäuser in Deutschland. Und das Ledigenheim für Männer in der Bergmannstraße (Planung: Theodor Fischer, 1926-27) entsteht als ausgedehnte Anlage mit H-förmigem Grundriss in Hartziegelbauweise im Stil der „Neuen Sachlichkeit“.
Egal ob „Neues Bauen“, „Neue Sachlichkeit“, „Klassische Moderne“ oder gar „Internationaler Stil“, der Impulsgeber war die legendäre Reformschule. Ein wenig Bauhaus steckt also in München. Dazu sollte man sich abseits der Landsberger Straße umschauen. Viel Spaß beim Entdecken!