Das Münchner Kindl wohnt im Rathaus am Marienplatz. Jedenfalls ist es dort in unzähligen Spielarten zu entdecken: als Stadtwappen am Tordurchgang, auf einem Fresko im Treppenhaus und hoch oben auf dem Rathausturm. Bei der letzten Meisterfeier auf dem Rathausbalkon haben sich die Spieler des FC Bayern wohl Hals über Kopf in das Kindl verliebt, denn ab sofort tragen Müller, Lewandowski, Sané & Co. sein Bild stolz auf ihren Auswärtstrikots in die Welt hinaus. Seit wann gibt es eigentlich das Münchner Kindl?
- Historisches über das Münchner Kindl
- Vom Maskottchen zur Werbe-Ikone
- Prominente Münchner Kindl
- Häufig gestellte Fragen
Urkundlich wird München erstmals 1158 als „Munichen“ erwähnt. Wegen der Ähnlichkeit zum lateinischen Wort für Mönch und weil die München umgebenden Gebiete zum Kloster Schäftlarn gehörten, entwickelt sich seit dem 13. Jahrhundert das sprechende Stadtwappen mit dem Mönch. Zunächst nur als Büste, ab dem 14. Jahrhundert dann in einer Darstellung von Kopf bis Fuß mit Evangelienbuch und Segensgestus. Bis heute ist der Mönch fester Bestandteil des Stadtwappens. Seit 1957 ist ein nach festen grafischen Vorgaben gestaltetes Münchner Kindl das Hoheitszeichen sämtlicher städtischer Ämter und Institute.
Im Laufe der Jahrhunderte wird Münchens Wappenfigur immer jünger. Den Moden der Zeit folgend entwickelt sie sich vom erwachsenen Mönch zurück zum geschlechtslosen Kindwesen, eine Zeit lang wechselt die Darstellung zwischen Buben und Mädchen hin und her, bis sich schließlich in den 1920er-Jahren das weibliche Geschlecht bei der Darstellung des Kindls durchsetzt.
Ein wichtiges Datum im langen Leben des Kindls ist das Jahr 1847. In einer Zeichnung hält der Maler Kaspar Braun den Augenblick fest, an dem es aus dem starren Rahmen des Stadtwappens aussteigt, um sich als Maskottchen und Werbe-Ikone selbständig zu machen. Von diesem Moment an gibt es kein Halten mehr. Das Münchner Kindl kann sich vor Auftritten kaum retten.
Für das aufblühende Münchner Brauereiwesen legt es auch schon mal das Evangelienbuch zur Seite und posiert stattdessen mit Bierkrug. Ab 1890 ziert das Münchner Kindl Postkarten und Souvenirs und wird zum sympathischen Aushängeschild der Fremdenverkehrswerbung für die Stadt. Weltoffenheit demonstriert das Kindl bereits anlässlich der „Ausstellung München 1910. Meisterwerke muhammedanischer Kunst“, wo es auf dem Ausstellungsplakat einen arabischen Musiker auf der Gitarre begleitet und die orientalische Kopfbedeckung, den Fez, trägt.
Bis zum ersten Weltkrieg dominiert das Kindl die gesamte Münchner Werbebranche: Vereine führen seinen Namen, mehr als 130 Münchner Firmen benutzen die Figur in ihrer Reklame, die Kindl-Kutte wird zum beliebten Faschingskostüm. Volkssänger und Komiker wie Karl Valentin, Liesl Karlstadt und der Weiß Ferdl haben eine „Münchner-Kindl-Nummer“ in ihrem Programm.
Im Vorfeld der Olympischen Sommerspiele 1972 tragen auch die Hostessen bei offiziellen Empfängen die schwarz-goldene Münchner-Kindl-Kutte. In diesem Aufzug werden die Mädels gerne einmal liebevoll spöttisch mit dem Spitznamen „Vatican Airlines“ bedacht. Bei den Spielen selbst spielt die Münchner Wappenfigur keine Rolle. Der bunt geringelte Dackel Waldi schnappt dem Kindl seine Rolle als Maskottchen weg, und die Hostessen, unter ihnen die spätere schwedische Königin Silvia, laufen in hellblauen Dirndln auf.
Als „Münchner Kindl“ bezeichnet werden in München zusätzlich alle, die hier geboren sind. Meistens führen sie noch das Prädikat „waschecht“ mit sich. Prominente waschechte Münchner Kindl sind Kaiserin Sisi und König Ludwig II., der Komponist Richard Strauss, die Maler Carl Spitzweg und Franz Marc, Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Startenor Jonas Kaufmann, die Fußballer Philipp Lahm und Franz Beckenbauer, Tatortkommissar Udo Wachtveitl und der Schauspieler Elyas M’Barek.
Ein waschechtes Münchner Kindl ist auch die 20-jährige Franziska Inselkammer. Seit 2023 ist sie das offizielle Münchner Kindl und führt am ersten Oktoberfestwochenende hoch zu Pferd den Einzug der Wiesnwirte und den weltberühmten Trachten- und Schützenzug an. Einer der schönsten Momente für die passionierte Reiterin ist der, wenn sie am ersten Wiesn-Samstag endlich wieder auf ihr Pferd steigt und weiß, jetzt geht es los, und sich dann hinter ihr die Gespanne der Wiesnwirte von der Sonnenstraße aus zum Oktoberfestgelände in Bewegung setzen.
Beim anschließenden traditionellen Anzapfen im Schottenhamel Festzelt steht sie dem Münchner Oberbürgermeister zur Seite. Franziska bewegt sich am Ende einer langen Reihe von Münchnerinnen, die vom Festring München e.V. seit 1938 zum Münchner Kindl erkoren wurden. Das erste offizielle Kindl, Ellis Kaut, kennt man vor allem auch als Autorin des Pumuckl.
Auch interessant: Im Infopoint Museen & Schlösser in Bayern im Alten Hof wird die Entwicklung des Münchner Stadtwappens „vom Mönch zum Münchner Kindl" anhand von historischen Siegeln, Münzen und Medaillen gezeigt.