Für die Reihe „Ich war noch niemals …“ besuchen unsere Autorinnen und Autoren Orte in München, an denen sie noch nie waren – und das, obwohl sie seit Jahren oder sogar schon immer in der Stadt leben. Diesmal entdeckt unsere Münchner Autorin Anja Schauberger zum ersten Mal das Alpine Museum an der Isar.
Vor ein paar Jahren kam mich ein Freund in München besuchen und mit das Erste, das er sich anschaute, war das Alpine Museum. Es war ihm bei seinem Spaziergang durch die Innenstadt sofort aufgefallen. Ich wollte es damals nicht zugeben, aber ich hatte noch nie vom Alpinen Museum gehört. Es war mir peinlich – als Einheimische, aber auch als Journalistin mit München-Schwerpunkt. Ich muss hunderte Mal daran vorbeigeradelt sein, wie konnte ich das Museum all die Jahre übersehen?
Das grenzt wirklich an ein Ding der Unmöglichkeit, denn das Alpine Museum liegt so zentral, wie kaum ein anderes: Zwischen Maxmonument und Maximilianeum, zwischen Haidhausen und Altstadt, zwischen Isar und Maximiliansbrücke. Mitten auf der Praterinsel. Man kommt hier wirklich immer vorbei! Und das Gebäude steht schon lange dort: Der ursprüngliche Bau, der im Zweiten Weltkrieg weitestgehend zerstört wurde, eröffnete bereits 1888 als Café-Restaurant, ein Museum wurde es dann 1911.
Ein Grund, weshalb ich das Alpine Museum so lange nicht wahrgenommen habe: Es wirkte irgendwie privat, nicht zugänglich, denn früher war der Eingang noch hinter dem Haus, man kam nur über den Garten hinein. Ein neuer, sichtbarerer Zugang war tatsächlich auch eines der großen Ziele des Umbaus, lese ich auf der Website. Ich war also nicht die Einzige, die nicht ins Museum hineingefunden hat.
Ich muss hunderte Mal daran vorbeigeradelt sein, wie konnte ich das Museum all die Jahre übersehen?
Nun hat das Alpine Museum nach dreijährigem Umbau wiedereröffnet – der perfekte Zeitpunkt für mich, es sich endlich anzusehen! Und es hat sich viel getan, das sieht man schon von außen: Die Eingangstür befindet sich jetzt vorne raus zur Isar. Der Türrahmen erstrahlt in mattem Messing, ich fühle mich beim Eintreten wie in einem modernen Designhotel.
Und dieser Eindruck setzt sich auch drinnen fort: Betonoberflächen, Naturstein, heimisches Holz – alles ist schlicht, aufgeräumt, durchdacht. So wie das Café im Eingangsbereich, dessen offener Bereich im Sommer bis in den Garten hinaus reicht. Oder die cleane Bibliothek (übrigens die größte alpine Bibliothek der Welt!) mit Sitzbänken direkt am Fenster, Isarblick gibt’s inklusive. Oder die neue Ausstellungsfläche der Dauerausstellung „Darum Berge“, die einer Gebirgslandschaft nachempfunden ist. Die Besucher*innen sollen durch die verschlungenen Pfade mit verschiedenen Perspektiven wandern können.
Ich klettere in ein nachgebautes Bettenlager, wie man es von Berghütten kennt, rieche an Heu, Thymian, Latschenkiefer und schreibe auf, warum ich selbst gerne in die Berge gehe.
Hier kann man die Bergwelt mit allen Sinnen erleben: Ich klettere in ein nachgebautes Bettenlager, wie man es von Berghütten kennt, rieche an Heu, Thymian, Latschenkiefer und schreibe auf, warum ich selbst gerne in die Berge gehe. Ich lerne, dass man früher bei anstrengenden Bergtouren keine Wasserflasche dabei hatte, sondern sich stattdessen einen Kieselstein unter die Zunge gelegt hat. Und dass die Gefahren des Bergsteigens bis in die 60er Jahre als positive Abgrenzung zum bürgerlichen Alltag gesehen wurden. So war die Möglichkeit, dass man sterben konnte, für viele Bergfans ein Weg, intensiver zu leben.
Ausgestellt sind hier sämtliche Exponate, die mit dem Berg zu tun haben: ein selbstgeschnitzter Kochlöffel hängt neben einer moderne Funktionsjacke, ein Eispickel, Kletterschuhe, ein alter Skihelm, Hüttenbücher aus verschiedenen Jahrzehnten, ein Vintage-Wanderrucksack, Karabiner, Karten und die Kleidung einer Bergbesteigung aus den 1930er Jahren. Es gibt geschmiedete Steigeisen zu sehen, Espressokocher und Trinkflaschen, einen Outdoor-Kochtopf und verschiedene Knotentechniken.
Trotz all der modernen Elemente versteckt das Haus allerdings nicht seine Geschichte: Ich bestaune im ersten Stock die grün-geblümte Deckenbemalung im Festsaal und lese dazu, dass diese nun über 50 Jahre abgehängt war und beim Umbau zufällig zum Vorschein kam. Die goldenen Vintage-Kronleuchter, die historischen Bogenfenster und der aufgearbeitete Parkettboden passen perfekt dazu. Ich kann mir gut vorstellen, wie hier zu festlichen Anlässen geladen wird!
Eine Sache sollte nach dem Umbau ebenfalls wieder aufleben: das Café Isarlust, das Ende des 19. Jahrhunderts ein beliebter Treffpunkt der gutbürgerliche Gesellschaft war. Auch Schriftsteller*innen und Frauenrechtler*innen trafen sich hier auf Lesungen, Partys und Versammlungen. Die Ausstellung zum Umbau im ersten Stock erzählt die Geschichte des Hauses, es werden Postkarten, Plakate und Eintrittskarten aus dem ehemaligen Café-Restaurant gezeigt.
Im heutigen Museumscafé gibt es leider keine wilden Faschingsbälle mehr, dafür aber sehr leckeren Kaffee und Kuchen, sowie Sandwiches und warme Gerichte für mittags. Auch Bier von Giesinger Bräu und verschiedene Weine stehen auf der Karte. In der Bibliothek nebenan kommt man kostenlos ins WLAN. Und im Sommer warten Liegestühle im alpin bepflanzten Garten. Ich vermute einmal: Diese Kombination wird nicht nur Student*innen zum Arbeiten einladen. Auch ich hab sofort Lust, meinen Laptop bei schönem Wetter einzupacken und im Isarlust zu arbeiten. Mit Blick auf’s Wasser von den Bergen träumen – was gibt es Schöneres?
Mit Blick auf’s Wasser von den Bergen träumen – was gibt es Schöneres?
Nach einem Kaffee und einem Blick in den Museumsshop mache ich mich auf den Heimweg. Es ist verrückt, was man alles neu entdecken kann, auch wenn man schon ewig in einer Stadt lebt. Wie man immer und immer wieder den Blick trainieren, neugierig sein, mal einen anderen Weg nehmen darf. Ich werde in Zukunft auf jeden Fall nicht wieder achtlos am Alpinen Museum vorbei radeln. Und es sämtlichen Freund*innen empfehlen, die mich in München besuchen kommen.