Viel Zeit zu Hause zu verbringen, heißt auch oft: viel Zeit vor dem Fernseher oder mit dem Smartphone zu verbummeln. Wie man sich mit dem derzeit recht üppigen Programm der Mediatheken und auf YouTube nicht nur die Langeweile vertreiben, sondern auch eine schöne Ration Münchner Lebensgefühl nach Hause holen kann, zeigen diese Sendungen.
Der rothaarige Kobold ist vielleicht das prominenteste Münchner Kindl – sicher aber das durchgeknallteste. Wenn man als erwachsener Mensch den Pumuckl sprechen hört, schwankt man zwischen Staunen und Schmunzeln. Seine Wortneuschöpfungen und Wiederholungen, die krächzende Stimme (eingesprochen von Synchronisationslegende Hans Clarin) und seine Reimorgien sind eine echte Herausforderung – für Zuschauer*innen, vor allem aber für Pumuckls stoischen Ziehvater Meister Eder. Kinder lieben natürlich den frechen Kobold, weil er ständig Streiche ausheckt und extrem gute Laune hat. Erwachsene fragen sich beim Ansehen der Serie allerdings manchmal, welches Aufputschmittel dem rothaarigen Wicht eigentlich verabreicht wurde. Pumuckl ist Kult und Meister Eder der Prototyp des gemütlichen Urbayern, den einfach nichts aus der Ruhe bringt und der einen so schönen Münchner Dialekt spricht, den man heute nur noch sehr selten in der Stadt hört. Bis in die kleinste Nebenrolle und Ausstattung (Frauen in Kittelschürzen, Geranien auf den Balkonen) zeichnet diese Serie das nostalgische und friedvolle Bild eines behaglichen München der 80er-Jahre, an das man sich liebend gern für 25 Minuten erinnert.
Wer reinkommt, ist drin. So heißt nicht nur die erste Folge dieser sechsteiligen Serie von Regielegende Helmut Dietl, so lautet auch das Arbeitscredo von Klatschreporter Baby Schimmerlos. Nie zuvor und nie danach wurde die Münchner Schickeria filmisch so authentisch eingefangen. Unvergessen ist vor allem der Gastauftritt von Mario Adorf in Folge 1, der einen geltungssüchtigen Generaldirektor spielt, der die Loyalität des Klatschreporters mit Geld erkaufen will. (Zitat: „Ich scheiß dich so was von zu mit meinem Geld, dass du keine ruhige Minute mehr hast.“) Vieles an „Kir Royal“ ist München pur: angefangen von der Musik, die Konstantin Wecker komponiert hat, bis hin zu Hauptdarsteller Franz Xaver Kroetz, der in der Landeshauptstadt geboren wurde – und auch den zahlreichen Aufnahmen aus dem Bayerischen Hof, vom Friedensengel oder der Bavaria. Vor allem aber zeigt Dietl wie schon in seiner anderen Kultserie „Monaco Franze“ (übrigens auch mit allen Folgen aktuell auf YouTube anzusehen), dass Komik und Tragik oft sehr nah beieinander liegen und die beste Beleidigung oft die ehrlichste ist.
Ham’s des scho g’hört? Nach Jahren zeigt der BR wieder alle Folgen dieser Serie in Sketchform, die mit dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet wurde und den bayerischen Paradehumoristen Gerhard Polt von seiner scharfsinnigsten und daher besten Seite zeigt. In diesem Satireklassiker macht sich Polt über Neureiche und Spießbürger*innen lustig und kommentiert kritisch noch immer aktuelle Themen wie Gentrifizierung und Ausländerfeindlichkeit. Gemeinsam mit seiner mindestens so lustigen Partnerin Gisela Schneeberger verbeißt sich Polt in den Paradoxien des Alltags – und der Bösartigkeit seiner Mitbürger*innen. „Fast wia im richtigen Leben“ ist ohne Zweifel irre lustig, auch wenn einem das Lachen manchmal im Hals stecken bleibt. Außerdem sind die Gastrollen mit dem Who’s who der bayerischen Großschauspieler und Schauspielerinnen der frühen 80er-Jahre besetzt, wie etwa Helmut Fischer, Ruth Drexel oder Hans Brenner.
Gerade jetzt im Frühling trifft die Corona-Krise die Einheimischen besonders, denn eigentlich wären sie jetzt unterwegs: draußen, in den Biergärten, an der Isar oder auf einem der rund 350 Plätze, die es in der Stadt gibt. Aber sie dürfen nicht, zumindest nicht, solange noch Kontaktverbot herrscht. Dass die BR- Dokumentation „Münchens schönste Plätze“ ausgerechnet jetzt erschienen ist, ist einer der wenigen schönen Zufälle, die es in der Corona-Krise gibt: Der Film von Michael Zehetmair und Wolfgang Binder war bereits im Kasten, als das Ausmaß der Pandemie noch nicht abzusehen war. Jetzt bietet er viel benötigte Ablenkung, befriedigt vielleicht ein kleines bisschen die große Sehnsucht nach dem Leben vor der Haustür. Die Dokumentation ist keine trockene Stadtgeschichte, sondern ein charmanter Streifzug zu den Plätzen in München, die den beiden Machern besonders gut gefallen. Man lernt allerhand, vor allem aber fängt man an, im Kopf Listen zu erstellen: von den Orten, die man als erstes besuchen wird, wenn die Krise wieder vorbei ist.
München ist an Serien, die das Lebensgefühl der Stadt einfangen, nicht arm – gleichwohl hat man das Gefühl, dass sich seit Helmut Dietl und seinem legendären „Monaco Franze“ nicht mehr viel getan hat. Jetzt könnte es endlich sein, dass ein Update da ist: „Fett und Fett“ heißt die Miniserie, die die Geschichte von Jaksch erzählt. Der ist Ende zwanzig, lebt in den Tag hinein, beziehungsweise „sandelt rum“, wie man in München so schön sagt. „Im Prinzip ist alles o.k.“, meint Jaksch, trotzdem ist er auf der Suche: nach einem Job, Struktur, der großen Liebe – und landet abends dann doch wieder meistens in der Cucurucu-Bar im Bahnhofsviertel mit einem Bier in der Hand. Die Serie spielt im Sommer und sie erzählt charmant von kleinen Alltagsabsurditäten und vom Gefühl, als leicht orientierungsloser Endzwanziger in München zu leben. Aber völlig unabhängig vom eigenen Alter und Geschlecht lohnt es sich, „Fett und Fett“ anzusehen: denn neben den vielen schönen München-Aufnahmen, etwa von der Isar, steckt doch in jedem ein bisschen etwas von Jaksch.